Politik sagt dem Elend im Sexgewerbe den Kampf an
Die Mitte-Frauen fordern Massnahmen gegen die Ausbeutung im Sexgewerbe. Besonders die Freier sollen mehr Verantwortung tragen – sonst droht eine Strafe.

Das Wichtigste in Kürze
- Ein Grundlagenpapier der Mitte-Frauen fordert Massnahmen für eine fairere Sexarbeit.
- Freier sollen mehr in die Verantwortung gezogen werden und den Verdacht auf Zwang melden.
- Ein Sexarbeit-Verbot lehnen sie ab – im Gegensatz zu mehreren Stimmen aus der Politik.
Letzte Woche nahm die Berner Polizei fünf Personen fest. Sie sollen 146 chinesische Frauen in die Schweiz gelockt haben, um sie für Sexarbeit auszubeuten.
Dies ist kein Einzelfall: Alleine im Kanton Bern kam es seit 2008 zu über vierzig Verurteilungen wegen Menschenhandels – mehrheitlich für die sexuelle Ausbeutung.
Grösstenteils sind Frauen Opfer dieser Straftaten. Im Milieu sind sie oftmals katastrophalen Bedingungen ausgesetzt. Laut mehreren Studien erleben die Sexarbeiterinnen in ihrem Alltag Gewalt.
Für die Mitte-Frauen sind diese Arbeitsbedingungen untragbar. In einem neuen Grundlagenpapier fordert die Parteisektion mehrere Massnahmen.
Freier sollen Verantwortung übernehmen
Die Präsidentin der Mitte Frauen, Christina Bachmann-Roth, sagt gegenüber dem «Tagesanzeiger»: «Nur wenige Menschen prostituieren sich freiwillig». Ein Grossteil der Sexarbeiterinnen sei Opfer von Gewalt, Armut, Zwang und sogar Menschenhandel.
«Wir wollen uns für sie einsetzen», sagt Bachmann-Roth. Vor allem die Sexkäufer sollen mehr Verantwortung übernehmen, lässt sich aus dem Grundlagenpapier lesen.
Die Freier müssten das Alter und Arbeitsumfeld der Prostituierten genauer überprüfen – sonst sehen die Mitte-Frauen eine Strafe vor. Weiter sollen sich die Sexkäufer bei der Polizei melden, falls ein Verdacht auf Menschenhandel oder Zwang besteht.
Weiter fordern die Politikerinnen: Stärkere Kontrolle der Bordelle, eine Kondompflicht und der Kauf von Sex ausserhalb der definierten Strichzone ist strafbar. Falls die Freier diese Regeln verstossen, müssten sie eine Schulung besuchen, so Bachmann-Roth zur Zeitung.
Das Grundlagenpapier der Mitte-Frauen übernimmt Massnahmen vom nordischen Modell. Dieses wurde noch vor der Jahrtausendwende in Schweden eingeführt und von diversen Staaten übernommen. Doch von einem Sexkaufverbot, wie es im nordischen Model vorgesehen ist, wollen die Mitte-Frauen nichts wissen.
«Keine uns bekannte Sexarbeiterin spricht sich für ein Sexkaufverbot aus»
Politikerinnen der EVP, GLP, SP und diverse Vereinen haben sich in den letzten Jahren vermehrt für ein faires Sexgewerbe eingesetzt. Darunter sind durchaus auch Befürworterinnen des nordischen Modells – also eines Verbotes.
Fachorganisationen sind darüber besorgt. Im Namen einer Koalition von Sexarbeitenden und NGOs sagt Rebecca Angelina: «Keine uns bekannte Sexarbeiterin spricht sich für ein Sexkaufverbot aus – egal, wie schwierig ihre Situation ist.»
Ein Verbot beraube diesen Menschen ihre Existenzgrundlage, sagt Angelina zum «Tagesanzeiger».
Wohingegen selbst in feministischen Kreisen keine Einigkeit zu einem Verbot herrscht, hat sich die SP klar positioniert: «Sexarbeit ist eine von vielen Möglichkeiten, den eigenen Lebensunterhalt zu finanzieren», schreibt die Links-Partei in einer aktuellen Resolution.
FDP-Mann liebäugelt mit Prostitutions-Verbot
Anders sieht dies FDP-Ständerat Damian Müller. In einer Interpellation schreibt er von einer «besorgniserregenden» Situation im Sexgewerbe. Es gebe dringenden Handlungsbedarf. Im Hinterkopf hat der Luzerner das nordische Modell – ein Verbot ist für ihn nicht ausgeschlossen.

Viele Prostituierte seien Migrantinnen, die durch ihre finanzielle Situation zur Prostitution gezwungen würden. «Sie müssen Alkohol und Drogen konsumieren, um die Tätigkeit zu ertragen», meint der SP-Ständerat.