Kompass-Initiative will Mitsprache über EU-Verträge an Urne sichern
Eine neue Stimme mischt sich in die Debatte zur Frage des Referendums über künftige Verträge der Schweiz mit der EU. Mit einer Verfassungsänderung will eine überparteiliche Unternehmer-Gruppierung die Mitsprache von Volk und Ständen sicherstellen. Ab Dienstag sammelt sie Unterschriften für ihre Kompass-Initiative.
Am Montag stellte das überparteiliche Komitee die Volksinitiative «Für eine direktdemokratische und wettbewerbsfähige Schweiz – keine EU-Passivmitgliedschaft (Kompass-Initiative)» in Bern den Medien vor. Im Komitee sitzen Unternehmer und Unternehmerinnen. Sie wollen den Wirtschaftsstandort mit direkter Demokratie stark halten.
«Eigenständige Schweizer Aussenwirtschaftspolitik»
Die Kompass-Initiative will in der Verfassung eine «eigenständige Schweizer Aussenwirtschaftspolitik» verankern. Entsprechend den Bedürfnissen der international vernetzten Schweiz. Die geforderte Verfassungsänderung soll die Mitsprache von Volk und Ständen sicherstellen, wenn es um völkerrechtliche Verträge geht.
Verträge, mit denen wichtige rechtsetzende Bestimmungen übernommen werden, will das Komitee dem obligatorischen Referendum unterstellen. Weil sie so nicht nur das Volks-, sondern auch das Ständemehr erreichen müssen, wird die Hürde für ein Ja an der Urne höher.
Ablehnend beurteilt das Komitee, das für eine Beziehung mit der EU «auf Augenhöhe» und die Bilateralen eintritt, die laufenden Verhandlungen zwischen Bern und Brüssel. «Trotz des Übungsabbruchs 2021 kommt die Politik nun wieder mit einem Rahmenvertrag 2.0», kritisierte Urs Wietlisbach, Mitbegründer von Partners Group.
Kompass-Initiative will direkte Demokratie stärken
Mit der dynamischen Übernahme von EU-Recht und mit den Kompetenzen des Europäischen Gerichtshofes beim Beilegen von Streitigkeiten werde die direkte Demokratie der Schweiz angegriffen. «Das ist nicht richtig.» Mit der Initiative wolle das Komitee zwei Fliegen mit einem Schlag erschlagen, sagte Wietlisbach.
Eine Klausel im Initiativtext soll sicherstellen, dass Volk und Stände über ein neues EU-Abkommen, über das möglicherweise vor der Initiative abgestimmt wird, entscheiden können. Für völkerrechtliche Verträge und Gesetze, die in Kraft sind, wenn die Initiative an der Urne angenommen wird, soll dagegen eine Bestandesgarantie gelten.
Immer wieder sei zu hören, dass es verfassungswidrig sei, Rahmenverträge dem Ständemehr zu unterstellen. Dies sagte der Ständerat und Unternehmer Hans Wicki (FDP/NW). «Mit der Kompass-Initiative wird unmissverständlich Klarheit geschaffen.»
Kurt Aeschbacher lobt Schweizer Staatsverständnis
Der von Deutschschweizer TV-Unterhaltungssendungen bekannte Moderator Kurt Aeschbacher lobte das auf Vertrauen beruhende Schweizer Staatsverständnis. «Dem Vertrauen darauf, dass die Summe des Wissens der Bürgerinnen und Bürger in der Lage ist, mit einem demokratisch gefällten Entscheid den richtigen Weg zu wählen.»
Bern und Brüssel verhandeln seit dem vergangenen März über ihre künftige Beziehung. Ob das Ergebnis dem fakultativen oder dem obligatorischen Referendum untersteht, ist umstritten. Das Bundesamt für Justiz kam in einer juristischen Analyse zum Schluss, dass eine ausnahmsweise Unterstellung unter das obligatorischen Referendum wohl nicht möglich sei.
Bundesrat und Parlament warten auf Verhandlungsergebnis
Der Bundesrat will erst mit der Botschaft zum Verhandlungspaket entscheiden, welchen Antrag er dem Parlament stellen wird. Auch die zuständigen Kommissionen von National- und Ständerat wollen die Frage erst angehen, wenn das Verhandlungsergebnis vorliegt.
Getragen wird die Initiative von Vertreterinnen und Vertretern von Schweizer Unternehmen. Auch Parlamentsmitglieder aus FDP und SVP sowie Ski-Legende Bernhard Russi, der vom Deutschschweizer Fernsehen SRF bekannte Kurt Aeschbacher und «Nebelspalter»-Chefredaktor und -Verleger Markus Somm sind mit dabei.
Am Dienstag (1. Oktober) wird die Initiative offiziell lanciert. Das Komitee hat eineinhalb Jahre Zeit, um die für das Zustandekommen nötigen 100'000 Unterschriften zu sammeln. Zur vor drei Jahren gegründeten Allianz Kompass/Europa gehören derzeit rund 2500 Personen.