Die Einführung von E-Voting lässt seit über 15 Jahren auf sich warten. Der blinde Jonas Pauchard berichtet, wie er sich informiert und abstimmt.
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Jonas Pauchard erzählt, was Abstimmen und Wählen für ihn als Blinden bedeutet und warum E-Voting eine grosse Hilfe wäre. - ehb.swiss
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Das Wichtigste in Kürze

  • Jonas Pauchard sieht nichts. Abstimmen ist für ihn darum nicht selbstständig möglich.
  • Er ist enttäuscht, dass der Bundesrat E-Voting nicht einführen will.

Das elektronische Abstimmen ist in der Schweiz derzeit nicht möglich. Das System der Post sowie jenes des Kantons Genfs stehen wegen Sicherheitsmängel nicht zur Verfügung. Der Bundesrat lässt die Finger davon. Halb so schlimm, könnte man meinen – es bleibt das briefliche oder das Abstimmen an der Urne.

Ein Schritt in die Selbstständigkeit

Nicht so einfach ist dies für jemanden, der nichts sieht. Zum Beispiel für den 27-jährigen Jonas Pauchard aus Düdingen FR. Blindenschule, KV-Lehre, gymnasiale Matura. Er sieht nichts mehr, seit er sechs Jahre alt ist.

«E-Voting würde mich beim Abstimmen und Wählen unabhängig und selbstständig machen», sagt Pauchard. «Ich fühle mich jedes Mal noch ein bisschen mehr oder überhaupt erst behindert, wenn ich abstimmen oder wählen möchte.»

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Laut Weltgesundheitsorganisation hat mehr als jeder vierte Mensch Sehbeeinträchtigungen. - SZBLIND

Sich über eine Abstimmung informieren kann er selbst. «Dafür lese ich Online-Zeitungen und auch das Abstimmungsbüchlein. Der Bund und einige Kantone bieten jeweils eine Audioversion an. Der Bund bietet zudem jeweils für die eidgenössischen Vorlagen eine barrierefreie PDF-Version an.»

Doch: «Zum Ausfüllen der Abstimmungsunterlagen muss ich dann jeweils jemanden aus meinem Umfeld um Hilfe bitten. Dafür kommuniziere ich ihnen, wie ich abstimmen oder wen ich wählen möchte, unterschreibe im Anschluss und sende die Unterlagen ab.»

E-Voting für Blinde eine Erleichterung

Jonas Pauchard hat im Kanton Freiburg Glück. Jede Person darf ihm seine Unterlagen ausfüllen. «Im Kanton Bern muss dies ausdrücklich von einer Person mit behördlicher Funktion geschehen.»

Der Gang zur Urne bleibt also für Blinde oder sehbehinderte Personen unumgänglich: ein zeitlich und örtlich beschränkter Zugang also. Und das, obwohl Blinde in ihrer Mobilität oft eingeschränkt sind. Briefliches Abstimmen wäre flexibler.

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Sehbehinderte Personen. - Keystone

Pauchard versteht jedoch die Vorbehalte gegenüber der Sicherheit von E-Voting. «Es ist für mich verständlich, dass man nicht voreilig etwas entwickelt und einführt. Aber für mich ist es deprimierend, wie lange dieser Prozess schon dauert.» Seit 2004 läuft E-Voting lediglich als Versuchsbetrieb.

«Bei der Nutzung anderer Dienstleistungen im Internet machen wir uns auch keine Gedanken bezüglich Sicherheit, etwa beim E-Banking. Da vertraue ich auch einer Bank, dass ihre Dienstleistungen im Internet sicher und nicht manipulierbar sind. Ich als Blinder muss heute einer anderen Person vertrauen, dass sie die Abstimmungsunterlagen so ausfüllt, wie ich das möchte.»

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Pauchard besuchte die Blindenschule in Zollikofen. «Dort habe ich neben den herkömmlichen Fächern in Spezialfächern wie bpsw. Orientierung und Mobilität gelernt, mich im Alltag zurechtzufinden.» (Symbolbild) - SDA

Hinzu komme, E-Voting nicht zwingend sei. «Es wäre lediglich eine Alternative. Aber für uns blinde und sehbehinderte Menschen wäre es ein wichtiger Schritt für unsere Autonomie.»

Nicht nur beim Abstimmen Aufholbedarf

Pauchard wünscht sich generell mehr Aufmerksamkeit für die Anliegen von Blinden. «Vonseiten der Behörden gibt es nur wenig Fortschritte, was die Barrierefreiheit angeht. So bietet etwa der Kanton Freiburg zwar die Möglichkeit, die Steuererklärung digital auszufüllen und einzureichen.»

Doch: «Ich kann diese weiterhin nicht selbstständig – das heisst nicht ohne sehende Hilfe – ausfüllen. Denn die dafür angebotene Software ist nicht barrierefrei.»

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