Die Juso verfehlt den Ton mit ihrem Jubel über den Todestag von Margaret Thatcher. Soll man sie dafür kritisieren? Ein Kommentar.
Margaret Thatcher, genannt «Die Eiserne Lady», im Jahr 1979. Foto: Heinrich Sanden
Margaret Thatcher, genannt «Die Eiserne Lady», im Jahr 1979. Foto: Heinrich Sanden - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Der Todestag der britischen ex-Premierministerin Margaret Thatcher freut die Juso.
  • Das ist daneben und die Thatcher-Mania mutet etwas seltsam an.
  • Doch es gibt Grund zur Hoffnung, wie das Beispiel eines ex-Juso-Präsidenten zeigt.

Alle Menschen sind nicht gleich, egal was der Papst, Karl Marx und die Bundesverfassung behaupten. Deshalb mögen wir die einen Menschen mehr, die anderen weniger. Je nachdem, wie ungleich wir sind. Die Juso zum Beispiel mag offenbar die frühere britische Premierministerin Margaret Thatcher nicht besonders.

Juso Margaret Thatcher Todestag
Die Juso Schweiz und die Juso Aargau freuen sich über den Todestag der «Eisernen Lady» Margaret Thatcher. - Twitter/@JolandaSpiess / Instagram/@jusoaargau

Wie kann man nur, rufen die einen, schliesslich hat Meryl Streep mit dieser Rolle endlich wieder einen Oscar gewonnen. Die Jusos gehen aber aufs Ganze: Zum Todestag der «Eisernen Lady» beglückwünschen sie die Welt. Den 8. April erklären sie in den sozialen Medien zum Feiertag.

Was hat Margaret Thatcher ihnen angetan?

Die Kritik folgt postwendend, auch von links: So etwas tut man einfach nicht. Irritierend ist die Thatcher-Fixierung der Jungsozialisten aber so oder so. Weil sie eine Frau ist? Schliesslich war keine Spur von Post-mortem-Feierlaune am 18. Februar, dem Todestag von Robert Oppenheimer, und der ist immerhin «Vater der Atombombe».

Robert Oppenheimer Muammar al-Gaddafi
Robert Oppenheimer, Vater der Atombombe (links), in einer Aufnahme von 1957, und der libysche Diktator Muammar al-Gaddafi in Uniform (rechts), fotografiert 2009. - Keystone

Auch am 20. Oktober gab es keinen Aufruf zum «Happy Day», obwohl sich der Hinschied des libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi jährte. Oder einen Monat später ein «día feliz» auf dem Grab von Generalísimo Franco.

Maggie Thatcher erhielt am 8. April auch keine Konkurrenz von Pablo Picasso, mit dem sie das Sterbedatum teilt. Obschon dieser doch ebenfalls vielen Menschen Schaden zugefügt hat. Insbesondere denjenigen, die nun Millionen hinlegen und als Gegenwert etwas Farbe auf rechteckigem Untergrund erhalten. Dessen Material sicher nicht Max-Havelaar-zertifiziert ist.

Juso Thatcher Spiess-Hegglin gebacken
Unter anderem Netz-Aktivistin Jolanda Spiess-Hegglin verurteilt die Geschmacklosigkeit der Juso Schweiz aufs heftigste. - Keystone

Mit keinem Wort erwähnt wird auch der gleichentags verstorbene Schlagersänger Will Brandes. Allein schon die Titel seiner Hits bezeugen, wie viel Unheil damit angerichtet wurde: Da war der «Baby-Babbel-Bossa-Nova», kurz darauf gefolgt vom «Kartäuser Knickebein Shake».

Picasso Beyeler Akt Katze
Das Gemälde «Liegender weiblicher Akt, mit einer Katze spielend» von Pablo Picasso, ausgestellt in der Fondation Beyeler in Riehen BS im März 2022. - Keystone

Der mit Frühwerken wie «Die Boys und Girls von heute» oder «Baby, mein blondes Baby» entstandene Schaden verblasst dagegen. Wahrscheinlich wird er von der Juso nur wegen einer seiner letzten Singles geschont: Dem (vermutlich) romantisch angehauchten «Sie war solide». Das wünscht man sich schliesslich von jeder Grossbank.

Jusos sind auch nur Menschen

Waren die Tweets und Instas der Juso zum Todestag von Margaret Thatcher falsch? Ja. Soll man sie deswegen mit Verachtung strafen? Naja. Die politische Motivation ist einigermassen durchsichtig: Margaret Thatcher ist schliesslich auch in einem Fünf-Sterne-Luxushotel verstorben und nicht, wie Saddam Hussein, am Galgen.

Wie ein Blick in die neuere Geschichte zeigt: Es kommt ja meistens doch noch gut heraus, mit dieser jugendlichen Unvernunft, Geschichtsblindheit und Schlagerkulturbildungslücke. Exemplarisches Beispiel sei hier der ehemalige Juso-Präsident und jetzige SP-Co-Präsident Cédric Wermuth.

Cédric Wermuth Napoleon Bonaparte
SP-Co-Präsident Cédric Wermuth (links) und Napoleon Bonaparte in einem Gemälde-Ausschnitt, der ihn bei der Verleihung eines Ordens zeigt. - Keystone

Der war ja damals, als Häuserbesetzer und Redner-Podiums-Kiffer, auch kein Kind von Traurigkeit. Doch heute? Wermuth will wissen, ob die SVPler eigentlich kleine Napoleone seien, die die Mittelklasse, Bauern und Bourgeoisie gegen einander ausspielten. Schreibt er dann auf Twitter: «Hey Lütlis, welcher Dude (d/m/f) hat mal was geschrieben drüber, dass die Bünzli-Partei insgeheim Russland-Feldzüge machen möchte?»

Nein, er schreibt dieses hier:

Wermuth Napoleon SVP
SP-Co-Präsident Cédric Wermuth stellt eine Frage, die man zwischen den Zeilen lesen muss. - Screenshot Twitter

Es hat also alles seine beste Ordnung. Viel höflicher geht euphemistische Polemik ja fast nicht. Bloss gibt es dafür keinen Applaus, zumindest nicht von User StenEgilDahl: «Versteh kei Wort alte. Bitte bonze enteigne und nöd so züg da…».

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