Marxisten der Schweiz vereinigen sich: Als Revolutionäre Kommunistische Partei soll der Durchbruch gelingen. Für den Experten sind die Chancen aber gering.
Caspar Oertli, RKP-Kampagnenleiter (rechts) und Dersu Heri, Redaktionsleiter von «Der Kommunist», an der Medienkonferenz im Büro von «Der Funke», am 8. Februar in Bern. - zvg

Das Wichtigste in Kürze

  • Die «Revolutionäre Kommunistische Partei (RKP)» wird gegründet.
  • Sie glaubt an ihr Potenzial, denn Marxismus liege im Trend.
  • Politologe Claude Longchamp sieht dies differenzierter.
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Die Schweiz soll eine marxistische Partei erhalten. Morgen Samstag wird deshalb in Biel die «Revolutionäre Kommunistische Partei (RKP)» gegründet. Dahinter steht «Der Funke», der Schweizer Ableger der «International Marxist Tendency» mit Sitz in London.

Die Gründer geben sich sehr optimistisch: Marxismus, Kommunismus und Anti-Kapitalismus lägen im Trend. Bereits hätten sich Hunderte bei ihnen gemeldet. Bei Umfragen hätten nur gerade vier Prozent der Wählerschaft gesagt, sie vertrauten Politikern vollständig. Umgekehrt seien 35 Prozent der Bevölkerung für die Abschaffung des Kapitalismus. Fragt man allerdings den Politologen Claude Longchamp, so hat dieser einige Zweifel, ob der RKP Erfolg beschieden sein wird.

Anti-Kapitalismus im Trend

Dass Kapitalismus-Kritik en vogue ist, ist derweil nicht völlig aus der Luft gegriffen. So ist das Buch «Es ist okay, wütend auf den Kapitalismus zu sein» des links-populistischen US-Senators Bernie Sanders ein Hit. «Das Buch der Stunde», lobt «Der Spiegel», aber auch in den USA landete die Wutschrift auf der Bestseller-Listen der «New York Times» und in diversen Kategorien bei Amazon.

Bernie Sanders
US-Senator Bernie Sanders spricht zu Mitgliedern der Gewerkschaft «United Auto Workers» während einer Protestveranstaltung in Detroit im Bundesstaat Michigan, am 15. September 2023. - keystone

Doch Claude Longchamp verweist darauf, dass der letzte im Nationalrat verbliebene Marxist, der Neuenburger Denis de la Reussille, im letzten Herbst abgewählt wurde. Die unabhängige Sozialistin aus Genf trat nicht mehr an und der Alternativen Liste Zürich traute man einen Sitz zu, doch daraus wurde nichts. «Erfolgreich war die Alternative Liste nur in Schaffhausen, indem sie sich mit der SP zusammenlegte», resümiert Longchamp.

claude longchamp
Politologe Claude Longchamp im Gespräch mit Nau.ch. - Nau.ch

«Da resultierte überraschenderweise sogar ein Ständeratsmandat für ein ex-Mitglied – der sich aber eingemittet hat.» Mehr Spielraum gebe es allenfalls ausserhalb der Institutionen, denn die RKP will – ganz in der marxistischen Tradition – eh keine Parlamentssitze, sondern den Umsturz. Das Label «Marxismus» bleibe in der Schweiz aber unbeliebt, sagt der Politologe. Eine starke Konkurrenz sei die Juso: «Sie selber versteht sich als marxistisch, warb bei den Wahlen 2023 auch so, machte aber kein Direktmandat.» Auch hier habe nur die Kooperation mit SP oder Grünen Erfolg gebracht.

Potenzial überschätzt?

Aber was ist mit den 35 Prozent Anti-Kapitalisten? Diese sind tatsächlich in der Umfrage «Wie geht's, Schweiz?» zu finden – sogar 36 Prozent. Das eine Prozentpünktchen ist dabei aber nicht die einzige Ungenauigkeit. Denn mit der Aussage «Kapitalismus funktioniert nicht und muss abgeschafft werden» sind eigentlich nur 12 Prozent «voll einverstanden». Die Schweizer Kommunisten haben die 24 Prozent «eher einverstanden» einfach dazugerechnet.

Revolutionäre Kommunistische Partei
Dersu Heri, Redaktionsleiter von «Der Kommunist», begrüsst die rund 250 Teilnehmer der «marxistischen Herbstschule» im November 2023 in Biel. Rechts die Titelseite der ersten Ausgabe der neuen Parteizeitung. - zvg

Dies müsste man fairerweise aber auch beim Vertrauen in die Politik tun. Addiert man zu den vier Prozent voll Vertrauenden noch die «eher»-Kategorie, sind es nämlich bereits 48 Prozent.

Sympathisieren Sie mit dem Marxismus?

Überschätzen könnten gemäss Claude Longchamp die Marxisten auch den eigenen Zulauf. «Allenfalls gibt es Aktivistinnen; diese sind im Uni-nahen Umfeld immer wieder zu erwarten.» Jenseits des zahlenmässigen Potenzials brauche es aber auch zugkräftige Persönlichkeiten. Jedoch: «Da sehe ich niemanden, auch nicht in der Westschweiz», die generell als Marxismus-freundlicher gilt.

Hypothek Pro-Palästina-Kurs

Während die dezidierte Pro-Palästina-Kurs den Marxisten mehr Sichtbarkeit einbrachte, ist er natürlich nicht unproblematisch. So wurden «Der Funke» Räumlichkeiten entzogen und Anlässe verboten. «In der Aussenwirkung ist es sicher eine Hypothek, die von Organisationen und Medien bewirtschaftet werden kann», relativiert Claude Longchamp. Denn: «In der Innensicht mag dies etwas anders aussehen.»

Karl Marx
Karl Marx, der Begründer des nach ihm benannten Marxismus. - keystone

Mit der Pro-Hamas Bewegung seien die Aktivistinnen an den Unis sichtbarer und vielleicht auch etwas zahlreicher geworden. «Wir reden hier aber über einen Promille-Bereich oder einige tausend Personen», so der Politologe.

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