Chaotischer Papierkram mit Toten in Schweizer Handelsregistern
Der Prüfbericht der Eidgenössischen Finanzkontrolle deckt auf: Es gibt Sparpotenzial bei den Handelsregistern. Die Beispiele lassen einen staunen.

Das Wichtigste in Kürze
- Die Handelsregister könnten viel Geld sparen, sagt die Eidgenössische Finanzkontrolle.
- Kernproblem: Die 28 verschiedenen Register sind ineffizient und nicht sehr kompatibel.
- Grösstenteils wird noch mit Papier gearbeitet und zum Teil Vorgaben gar nicht eingehalten.
Gewurstel bei den kantonalen Handelsregistern: Erfasst wird auf Papier, gespeichert wird dafür oft für die Ewigkeit – auch dann, wenn die Firmenbesitzer längst tot sind. Das sind nur zwei der kuriosen Erkenntnisse, die ein Untersuchungsbericht jetzt zutage fördert. Die kantonalen Handelsregister wären eigentlich ein Schulbuch-Beispiel für eine elektronische Datenbank. Sie scheitern aber teilweise schon bei Lektion 1: «Was sollte ich vielleicht vorher bedenken?»
Das 19. Jahrhundert lässt grüssen. Wirklich.
Die Eidgenössische Finanzkontrolle EFK hat die Datenzuverlässigkeit der Handelsregister geprüft. 611'000 Unternehmen sind in einem der 28 kantonalen Handelsregister eingetragen. Und das zum Teil schon sehr lange: Bei den im Detail angeschauten sechs Kantonen sind zwischen 2 (ZG) und 8,7 Prozent (VD) der Einträge seit mehr als 15 Jahren nicht verändert worden.
«Mehr als 15» heisst im Extremfall: Seit 1966 (BL),1950 (GE) oder gar den 30er-Jahren (ZH, BE, ZG). Den Spitzenplatz mit zweifelhafter Ehre hält der Kanton Waadt: Sein Handelsregister enthält einen Eintrag von 1892. Oder anders gesagt: «Teils sind die Inhaber verstorben». Vorbehaltlich der Existenz von Zombies und Vampiren.
Jeder Kanton anders. Und dann war da noch das Wallis.
Eins der Kernprobleme: Das Datenbankmanagement. Erfasst werden die Daten meist auf Papier. Und das bei jährlich zehntausenden Mutationen. Selbst in Kantonen wie Zürich, welcher aktiv die elektronische Erfassung fördert, ist 99 Prozent Papierkram. Das heisst: Fehleranfälligkeit: «Je nach Kanton werden zwischen 20 und 80 Prozent der Einträge wegen Mängeln zurückgewiesen», heisst es im Bericht der EFK.
Kommt dazu: Jeder Kanton betreibt ein eigenes System. Und sie haben oben richtig gelesen: 28 Systeme, bei 26 Kantonen. Der Kanton Wallis treibt den Kantönligeist auf die Spitze mit eigenen Systemen für Ober-, Zentral- und Unterwallis. Zwar gibt es ein zentrales Register des Bundes (Zefix), aber die Kantone halten sich nicht durchgehend an die technischen Vorgaben. Heisst: Der Datenaustausch klappt nur, wenn auch das Bundespersonal noch einmal Hand anlegt.
Teure Doppelspurigkeiten
Teilweise ist die EFK daran gescheitert, ihre Prüfung durchführen zu können: Weil die Kantone die Daten nicht gleich codieren oder gar in ein uncodiertes Feld hineinschreiben. Elementare Datenbank-Aspekte wie Aufbau, Kompatibilität und Effizienz werden vernachlässigt und gehen ins Geld.
Die EFK weist auch darauf hin, dass viele Daten bereits bei anderen Behörden vorhanden wären und verknüpft werden könnten, wie die AHV-Nummern. Oder dass die Handelsregister aktiv nach neuen Unternehmen suchen müssen, obwohl diese zum Beispiel den Steuerverwaltungen bereits bekannt sind.
Problem erkannt, Lösung… kommt… irgendwann
Zehn Empfehlungen gibt die EFK ab, darunter natürlich auch, dass eine landesweite Vereinheitlichung sinnvoll wäre. Das Bundesamt für Justiz, auf Bundesebene zuständig für Handelsregister, nimmt zu einzelnen Punkten Stellung – meist wohlwollend-zustimmend. Nur: Die zu überwindenden Hürden seien weniger technischer, finanzieller oder legaler Natur, sondern politisch begründet. Und weiter: «Deshalb scheint es uns nicht realistisch, die Empfehlung kurzfristig umzusetzen.»
Und das, obwohl im Parlament diverse Vorstösse eingebracht wurden für mehr E-Government, elektronische Unterschrift & Co.? Es scheint so. Die Motion des CVP-lers Luc Barthassat zum Beispiel wurde 2007 vom Bundesrat zur Annahme empfohlen und 2008 von National- und Ständerat angenommen. Titel: «Verwirklichung des elektronischen Behördenverkehrs bis 2009». Müsste man mal nachhaken? Aber Barthassat ist schon seit fünf Jahren nicht mehr Nationalrat.