Parlamentarier müssen an Sitzungen der Räte und Kommissionen teilnehmen – trotzdem nahm SP-Wermuth eine Auszeit. Die Praxis ist verbreitetet, aber heikel.
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Nach einer zweimonatigen Auszeit ist Cédric Wermuth zurück – seine politischen Pflichten lagen auf Eis. Eigentlich sind Parlamentarier verpflichtet, an Sitzungen teilzunehmen. (Archivbild) - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Cédric Wermuth nahm eine zweimonatige Auszeit – seine politischen Pflichten lagen auf Eis.
  • Parlamentarier sind verpflichtet, an Sitzungen von Räten und Kommissionen teilzunehmen.
  • Viele halten sich nicht an diese Regel – der Gesetzgeber sollte aber die Gesetze achten.
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Es ist eine Frage der Integrität und Verantwortung: Sollten sich nicht gerade diejenigen, die unsere Gesetze schaffen, auch selbst an diese halten? In Bern scheint man das nicht immer so genau zu nehmen. Ein aktuelles Beispiel dafür liefert SP-Chef Cédric Wermuth.

Nach einer intensiven Wahlperiode und der Ersatzwahl für den zurückgetretenen Bundesrat Alain Berset entschied sich Cédric Wermuth für eine Auszeit. Zwei Monate lang tauschte der SP-Co-Parteipräsident seine politischen Pflichten gegen Erholung mit seiner Familie in Vietnam und auf den Philippinen.

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Ist nach seiner zweimonatigen Auszeit zurück: SP-Co-Parteipräsident und Nationalrat Cédric Wermuth. (Archivbild) - keystone

Seine parlamentarischen Aufgaben wurden während dieser Zeit auf Eis gelegt – er liess sich in den Kommissionen vertreten. Wie er gegenüber «Tamedia» erklärt, hat er je zwei Sitzungen der Wirtschafts- und der Finanzkommission verpasst. Doch ist das wirklich im Sinne des Parlamentsgesetzes?

Gesetzliche Verpflichtungen versus persönliche Freiheit

In Artikel 10 des Parlamentsgesetzes steht klar geschrieben: «Die Ratsmitglieder sind verpflichtet, an den Sitzungen der Räte und Kommissionen teilzunehmen.» Es gibt Ausnahmen wie gesundheitliche Gründe – doch solche gab Wermuth nicht an.

Auf Nachfrage von «Blick» bestätigt Nationalratspräsident Eric Nussbaumer die gesetzliche Teilnahmepflicht bei Sitzungen und Räten. Allerdings weist er auch auf Artikel 18 des Geschäftsreglements des Nationalrats hin, der es Kommissionsmitgliedern erlaubt, sich vertreten zu lassen. Aber: Die Option, dass eine Ersatzperson einspringt, falls ein Parlamentsmitglied erkrankt ist, hebt die Verpflichtung zur Anwesenheit dieses Mitglieds nicht auf.

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Nach einer intensiven Wahlperiode und der Ersatzwahl für Alain Berset entschied sich Cédric Wermuth für eine Auszeit. Er verbrachte zwei Monate mit der Familie in Asien. (Archivbild)
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Seine parlamentarischen Aufgaben wurden während dieser Zeit auf Eis gelegt – er liess sich in den Kommissionen vertreten. Die SP-Führung übernahm Co-Präsidentin Mattea Meyer. (Archivbild)
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Gemäss Gesetz sind Parlamentarier verpflichtet, an Sitzungen der Räte und Kommissionen teilzunehmen. Es gibt Ausnahmen für gesundheitliche Gründe – doch solche gab er nicht an. (Symbolbild)G
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Die Option, dass eine Ersatzperson einspringt, falls ein Parlamentsmitglied erkrankt ist, hebt die Verpflichtung zur Anwesenheit dieses Mitglieds nicht auf. (Symbolbild)
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Es ist eine Praxis, die sich quer durch alle Parteien zieht: Die Teilnahme an Kommissionssitzungen scheint oft eher freiwillig als verpflichtend zu sein – trotz klarer Regelung. (Symbolbild)
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Alt-SVP-Nationalrat Roger Köppel beispielsweise fehlte oft an Sitzungstagen des Parlaments: Stellenweise hat er rund ein Viertel der Abstimmungen verpasst. (Archivbild)

Cédric Wermuth sieht das anders. Er betont, dass Abwesenheiten bei Kommissionssitzungen aus verschiedenen privaten und beruflichen Gründen durchaus üblich seien. Auch er verweist auf Artikel 18 und betont, dass er an Sessionstagen nicht gefehlt habe.

Praxis versus Gesetz

Wermuths Argumentation wirft ein Licht auf eine Praxis, die sich quer durch alle Parteien zieht: Die Teilnahme an Kommissionssitzungen scheint oft eher freiwillig als verpflichtend zu sein – trotz klarer gesetzlicher Regelung.

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Der Sozialdemokrat betont: «Ich bin sehr dankbar, dass Mattea (Meyer) und die Partei meiner Familie und mir diese Auszeit ermöglicht haben.» (Archivbild) - keystone

Auf die Frage nach einem möglichen finanziellen Ausgleich für seine Abwesenheit geht Wermuth gegenüber «Blick» nicht ein. Ebenso wenig äussert er sich dazu, wie seine Ferien innerhalb seiner Partei finanziell geregelt wurden.

Cédric Wermuth hatte ein schlechtes Gewissen

Trotz seiner Abwesenheit lief die Arbeit in der SP weiter: Co-Präsidentin Mattea Meyer übernahm während Wermuths Auszeit die Führung alleine. Gegenüber dem «Tages-Anzeiger» erklärt der Aargauer, dass er deswegen ein schlechtes Gewissen hatte: «Ich versicherte mich mehrere Male bei ihr, ob es drin liegt, dass ich mich einfach ausklinke.»

Sollte Cédric Wermuth nach seiner Auszeit auf einen Teil seiner finanziellen Entschädigung für das Nationalratsmandat verzichten?

Wermuth sagt: «Ich bin sehr dankbar, dass Mattea und die Partei meiner Familie und mir diese Auszeit ermöglicht haben.» Sie teilten das höchste Amt innerhalb der Sozialdemokratischen Partei genau aus diesem Grund: Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

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