Unter Frauen: «Freibad» von Doris Dörrie
Im Freibad kommen Menschen auf engstem Raum zusammen, die sonst nichts miteinander zu tun hätten. Und das auch noch halbnackt. Das sorgt für Spannungen, wie Doris Dörrie in ihrer Komödie «Freibad» zeigt.

Das Wichtigste in Kürze
- Bestes Badewetter - und dazu der passende Film.
«Freibad» nennt sich der Streifen, den Doris Dörrie nun ins Kino bringt. Darin seziert die preisgekrönte Regisseurin («Kirschblüten Hanami») aus München die Befindlichkeiten einer Gruppe weiblicher Stammgäste in einem Schwimmbad, in dem Männer keinen Zutritt haben.
Die Spanne reicht von Freundschaft über Eifersüchteleien, kleine Streitigkeiten und Berührungsängste bis hin zu Vorurteilen, Rassismus und Ausgrenzung. Zu sehen sind unter anderem Andrea Sawatzki als ehemalige Sängerin, Lisa Wagner als handfeste Badbetreiberin, Nico Stank als Kim vom Kiosk und die Schweizerin Melodie Wakivuamina in der Rolle der überaus schlagfertigen Steffi.
Zahlreiche aktuelle Fragen
Ein spannendes Thema, das Dörrie mit Wortwitz, Einfallsreichtum und Tempo angeht. Die Fragen, die sie aufwirft, sind aktuell. Etwa die Debatte um eine Verschleierung. Die Überlegung, was eine Frau zur Frau macht. Das Verhältnis zum eigenen Körper oder innerfamiliäre Beziehungen. Doch die in München und Umgebung gedrehte Geschichte bleibt über weite Strecken in Stereotypen und Klischees haften, viele Witze zünden nicht oder wirken platt.
So kann sich das satirische und gesellschaftskritische Potenzial kaum entfalten, das darin steckt, wenn unterschiedlichste Charaktere im Mikrokosmos Freibad zusammenkommen. Ernsthaft Trainierende, junge Mädchen zwischen Selbstbewusstsein und Selbstzweifeln, Mütter mit kleinen Kindern oder ratschende ältere Damen, die ihren Stammplatz beanspruchen. Es gibt Fat Shaming («Da geht er, der Wackelpeter»), Altersdiskriminierung («FKK-Oma»), simples Mobbing und jede Menge Vorurteile bis hin zum Rassismus («Burkinischlampe»).
Dass diese Schicksale nur oberflächlich gestreift werden, liegt auch daran, dass die Regisseurin und Drehbuchautorin zu viel in die 100 Minuten reingepackt hat. In unzähligen Begebenheiten geht der rote Faden regelrecht unter, plätschert vieles sommerlich träge dahin, statt sich zu einer grossen Erzähllinie aufzuschwingen.
Burkin, Schleier und Alltagsrassismus
Deutlich wird das vor allem am Schicksal Yasemins, die nur mit Burkini ins Wasser geht. «Ganzkörperkondom» muss sie sich anhören. Nilam Farooq («Contra») spielt sehr einfühlsam und überzeugend, ihre Figur bleibt dennoch blass. Was Yasemin will, warum sie mit ihrer Mutter hadert und sich in einer tiefen Identitätskrise befindet, bleibt lange unklar und wird erst spät in aller Kürze abgehakt.
Yasemin ist nicht die einzige, die ihren Körper nicht halbnackt zeigen will. Eines Tages taucht eine Gruppe verschleierter Frauen auf, was vor allem bei den Freundinnen Gabi (Maria Happel) und Eva (Sawatzki) zu heftigen Diskussionen führt. Haben diese Frauen im weitgehend hüllenlosen Bad etwas verloren? Die Situation eskaliert und es wird offenbar, dass sich auch in vermeintlich harmlos witzigen Sprüchen oft krasser Alltagsrassismus verbirgt.
Befremdlich wirkt die Szene, in der zum ersten Mal ein Mann das Bad betritt - als neuer Bademeister, denn wegen des Fachkräftemangels fehlen Bewerberinnen. Als Nils (Samuel Schneider) mit nacktem Oberkörper auftaucht, ist es um die meisten Besucherinnen geschehen. Reihenweise erliegen sie seinem unbeholfenen Charme, als hätten sie auf nichts anderes gewartet und als wäre er die Erfüllung all ihrer Wünsche: Seufz, schmacht, stöhn: ein Mann!!!
Freibad, Deutschland 2022, 102 Min., FSK ab 12, von Doris Dörrie, mit Andrea Sawatzki, Nilam Farooq und Melodie Wakivuamina