Vor knapp sieben Jahren töteten Islamisten im Pariser Konzertsaal Bataclan 90 Menschen. Mittlerweile ist der Kultsaal längst wieder ein Ort des Feierns. Doch der Terroranschlag ist vielen im Hinterkopf.
Die Frontmänner der Folkpop-Band Milky Chance, Philipp Dausch (l.) und Clemens Rehbein, vor dem Pariser Konzertsaal Bataclan.
Die Frontmänner der Folkpop-Band Milky Chance, Philipp Dausch (l.) und Clemens Rehbein, vor dem Pariser Konzertsaal Bataclan. - Rachel Bossmeyer/dpa
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Das Wichtigste in Kürze

  • «Scheisse, hier sind Menschen gestorben», sagt Sophie und schaut sich im Pariser Konzertsaal Bataclan um.

Der Terroranschlag vor knapp sieben Jahren, bei dem Islamisten 90 Menschen töteten, ist bei der 37-Jährigen und ihrer Freundin Valérie aus dem nordfranzösischen Cherbourg vor dem heiss erwarteten Auftritt ihrer Lieblingsband Milky Chance in dem Saal Gesprächsthema. Aber das Leben gehe weiter. «Man muss im Bataclan Party machen», meint Sophie. Etwa anderthalb Stunden später tobt der Saal, als die deutsche Band Milky Chance ihren Fans mit einer vor Energie strotzenden Show und ihrem ganz eigenen Mix aus Folk, Pop, Elektro, Reggae und Rock einheizt.

Doch ein mulmiges Gefühl am Morgen des Konzerts hatte auch Multiinstrumentalist Philipp Dausch, einer der Frontmänner der gefeierten Folkpop-Band, wie er der Deutschen Presse-Agentur erzählt. Sein Bandkollege Clemens Rehbein sagt, Angst habe er nicht gehabt, aber eine stärkere Verbindung dadurch, vor Ort zu sein. «Man hat so ein Gefühl von «Krass, das ist so ein Ort, da ist was passiert.»»

Vor knapp sieben Jahren, am 13. November 2015, hatten drei islamistische Terroristen mit Sturmgewehren und Sprengstoffgürteln den Konzertsaal gestürmt, das Publikum als Geiseln genommen und 90 Menschen getötet. Bei etwa zeitgleichen Anschlägen auf Bars, Restaurants und am Nationalstadion Stade de France wurden 40 weitere Menschen ermordet. Die grausamen Anschläge, die die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) für sich reklamierte, trafen Frankreich tief ins Mark, galten als ein Angriff auf die Lebensart und das Bataclan wurde zu einem Symbol dafür.

Wieder zurückerobert

Nach der Terrorattacke wurde der Saal umfassend renoviert und blieb etwa ein Jahr geschlossen. Dann eroberte sich Paris den Ort singend und tanzend zurück. Zur Wiedereröffnung sagte der britische Musiker Sting, er wolle der Opfer gedenken, aber auch die Musik und das Leben feiern. Aber wie gelingt das an einem so vom Schmerz geprägten Ort?

«Das ist auf jeden Fall ein Spagat», meint Dausch, aber vielleicht sei genau das auch die Herausforderung. Und Rehbein fügt hinzu: «Das ist ja eine sehr lebensbejahende Antwort darauf.» Er glaube, das sei auch gut so. «Dass man jetzt hier wieder Konzerte stattfinden lässt und so 'ne ausgelassene Stimmung ist, heisst ja nicht oder darf nicht heissen, dass man vergisst, was mal passiert ist.»

Für die 29-jährigen Kasseler Jugendfreunde, die Milky Chance 2012 gründeten und mit Hits wie «Stolen Dance» und «Flashed Junk Mind» weltweiten Erfolg feierten, lief die Vorbereitung auf den Gig im Bataclan ganz gewöhnlich ab. «Ich glaube, das ist auch relativ wichtig», meint Dausch. «Weil diese Normalität ist ja quasi auch die Parole, mit der man sowas beantworten sollte oder will, weil genau diese Normalität soll ja zeigen, dass man dem Ganzen auch die Stirn bietet und eben nicht Angst hat.» Der Terror wolle ja Angst schüren.

Nach den Anschlägen einiges anders

Karim und Djerry, die im Bataclan als Sicherheitskräfte arbeiten, erzählen vor Konzertbeginn, dass seit den Anschlägen einiges geändert wurde. «Wir haben Massnahmen getroffen, damit das nicht nochmal passiert oder damit wir wissen, wie wir reagieren», sagt der 23-jährige Karim, der seit der Wiedereröffnung im Bataclan aufpasst. «Mittlerweile sind wir daran gewöhnt, hier zu arbeiten, aber es macht immer etwas mit einem. Wir denken immer daran.»

Einige Zuschauerinnen und Zuschauer sind an diesem Abend das erste Mal hier. So auch der 31-jährige Hugo, der seit vier Jahren in Paris lebt. «Jahrelang war ich nicht im Bataclan. Ich habe es ein bisschen vermieden, aber die Zeit vergeht», erzählt er. Auch die 23-jährigen Jules und Arnaud aus Tours sind erstmals hier. «Wir werden nicht aufhören, an Orte wie diesen zu gehen», sagt Jules kämpferisch. Arnaud pflichtet bei: «Das ist ja nicht real. Das ist nicht heute.»

Sébastien und Laurent sind Anfang 50 und waren schon häufiger im Bataclan. Nun kommen sie erstmals seit den Anschlägen wieder, einfach weil es vorher keine Gelegenheit gegeben habe. «Ich habe gebucht, ohne darüber nachzudenken, dass es das Bataclan ist», sagt Sébastien. Für Valérie und Sophie aus dem nördlichen Cherbourg ist der Besuch im Bataclan schon emotionaler. Die beiden Freundinnen sind sich sicher: «Das ist das Konzert unseres Lebens.»

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