Leben für den Film: Frédéric Maire verlässt die Cinémathèque suisse

Keystone-SDA
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Lausanne,

Der Filmregisseur Frédéric Maire verlässt nach 16 Jahren die Cinémathèque suisse.

Frédéric Maire
Ende September wird er sein Amt als Leiter der Cinémathèque suisse offiziell abgeben: Frédéric Maire. - keystone

Frédéric Maire verlässt nach 16 Jahren die Cinémathèque suisse – die wichtigste Institution der Schweiz, wenn es um das Bewahren des Filmerbes geht. Wie der Filmregisseur und -journalist sein ganzes Leben dem Film gewidmet hat, erzählt er im Gespräch.

Seinen ersten Film drehte er mit 12 Jahren gemeinsam mit Freunden, mit 22 begann er, Texte über die Kunst des Films zu verfassen. Das Leben des 1961 geborenen Frédéric Maire ist untrennbar mit dem Kino verbunden. Ende September wird er sein Amt als Leiter der Cinémathèque suisse (Schweizer Filmarchiv) offiziell abgeben. Gefeiert wird aber schon am heutigen Donnerstag.

Das Schreiben und die Regie hätten ihn zum Kino gebracht, sagte Maire gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Anfang der 1980er-Jahre gründete der junge Filmemacher und Student mit anderen in seiner Heimatstadt Neuenburg die Filmnacht «Nuits du cinéma neuchâtelois». An der Universität half er mit, den Cinéclub wieder aufzubauen: «Ich war zwar kein guter Student, aber ein guter Programmgestalter», sagte er lachend.

Sein Wirken in der Filmbranche reicht weit zurück und ist umfassend. 1991 gründet er etwa zusammen mit dem Produzenten Vincent Adatte den Verein Passion Cinéma, der in der Region Neuenburg und im Jura aktiv ist. Ein Jahr später lancierte er gemeinsam mit Francine Pickel und Yves Nussbaum die Zauberlaterne – einen Verein, der in der ganzen Schweiz tätig ist und Kinder für das Medium Film begeistern will.

Ab 1986 arbeitete er für das Locarno Film Festival, erst für die Festivalzeitung, dann in der Gestaltung des Programms. Von 2006 bis 2009 war er künstlerischer Leiter und damit auf dem Höhepunkt seiner Karriere als Programmgestalter. Anschliessend wechselte er in den Bereich der Archivierung.

«Wenn ich mich selber beschreibe, dann mit einem Begriff, den der französische Filmkritiker Serge Daney verwendete, nämlich den des 'Fährmanns'» – weil er das Kino an Kinder und Erwachsene vermittle. Er sei jemand, der dazu beitrage, dass Menschen das Kino entdecken und sich darüber austauschen. Diese Rolle will er auch nach seiner 16-jährigen Tätigkeit bei der Cinémathèque suisse weiter spielen, denn: «Ich liebe diese Arbeit.»

«Meine Beziehung zum Kino wird sich nicht ändern», so Maire. Er werde vielleicht seltener zu Festivals eingeladen werden, aber dafür welche besuchen, an denen er bis anhin noch nie gewesen ist. Neu werde für ihn sein, «nicht mehr die Verantwortung für eine so wichtige Institution wie die Cinémathèque suisse zu tragen». Bedeutend ist die Institution allemal: 1948 gegründet, zählt sie dank der umfangreichen Bestände zu den zehn wichtigsten Filmarchiven der Welt.

Maire feiert im Capitole seinen Abschied

Seit 2009, als Maire Direktor des nationalen Filmarchivs wurde, verantwortete er unter anderem den Bau des Forschungs- und Archivierungszentrums im waadtländischen Penthaz; eröffnet wurde es 2019.

Unabdingbar für ihn war die Auseinandersetzung mit der Digitalisierung. Zur Zeit von Maires Amtsantritt erschien ein dafür ausschlaggebender Blockbuster: James Camerons Scinece-Fiction-Streifen «Avatar» brach an den Kinokassen alle Rekorde. «Damals haben weltweit fast alle Kinos auf die digitale Technik umgestellt», sagte Frédéric Maire.

Das sei der Cinémathèque suisse und dem Filmerbe allgemein entgegengekommen: «Wenn wir einen Film restaurieren oder digitalisieren, dann mit dem Ziel, ihn zu verbreiten.» Dass dies digital einfacher geht, als mit Filmrollen, erklärt sich von selbst.

Zwar sei diese Entwicklung eine «Revolution» gewesen. Die ständigen Erneuerungen, die damit einhergehen, würden die Filminstitution aber auch in Zukunft noch fordern. «Sobald das digitale Medium veraltet ist, müssen alle fünf bis zehn Jahre alle Daten migriert werden.» Dieser Herausforderung werde sich die Cinémathèque bereits in den kommenden Monaten stellen, so Maire.

In Maires 16 Jahren beim schweizerischen Filmarchiv hat sich die Zahl der Mitarbeitenden mehr als verdoppelt und das Budget fast verdreifacht. Es habe mindestens fünf Jahre gedauert, bis die Institution diese finanziellen Mittel und die Unterstützung erhalten habe. Damit hänge nun zusammen, dass er 13 Monate vor seiner Pensionierung geht, um Platz für eine neue Person zu machen.

Zu Maires Zeit als Leiter der Cinémathèque gehört zudem, dass eine Alternative für das Casino Montbenon gefunden wurde. Das Casino sei «als Ort der Kultur, aber nicht des Kinos wahrgenommen» worden. Deshalb hat Maire die Renovation des Lausanner Kinos Capitole geleitet. Die Stadt Lausanne hat den altehrwürdigen Bau 2010 gekauft und der Cinémathèque übertragen.

Das Capitole ist das grösste historische Kino der Schweiz. Anfang 2024 wurde es wiedereröffnet und ist heute als «Haus des Kinos» das Aushängeschild der Cinémathèque. Seit der Wiedereröffnung wächst das Interesse der Besucherinnen und Besucher. Das Ziel sei, diese Zahl weiter zu steigern.

Im Capitole feiert er heute denn auch seinen Abschied. Zu diesem Anlass wird die Dramakomödie «Palombella rossa» (1989) des italienischen Regisseurs Nanni Moretti gezeigt. Mit der Wahl gerade dieses Films für seinen Abschied drücke Maire einerseits sein Bedauern aus: «Ich hätte Nanni Moretti immer gerne in die Cinémathèque eingeladen.» Und: «Der Film ist auch eine wunderbare Erinnerung an die Zeit in Locarno, wo wir Moretti 2008 eine Retrospektive widmeten.»

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