In einem über 500-seitigen Werk hat der Kanton Zug die Geschichte über das Fürsorgewesen von 1850 bis 1981 aufarbeiten lassen. Betroffene machen betroffen.
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Blick auf die Stadt Zug. (Symbolbild) - Keystone
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In einem über 500-seitigen Werk hat der Kanton Zug die Geschichte über das Fürsorgewesen von 1850 bis 1981 aufarbeiten lassen.

Dieses umfasst das Kapitel der administrativen Versorgung, schlägt aber auch den Bogen zur aktuellen Zuger Fürsorgelandschaft. Es beginnt mit 18 Schicksalen.

Forschungsbereicht im Auftrag des Kantons erstellt

Es sei viel Unrecht geschehen, sagte der Zuger Regierungsrat Andreas Hostettler (FDP) anlässlich der Präsentation des Forschungsberichts mit dem Titel «Fürsorgen, vorsorgen, versorgen» am Donnerstag, 17. November 2022.

Der Kanton hatte diesen in Auftrag gegeben, um die «fürsorgerischen Zwangsmassnahmen» auszuleuchten und eine Forschungslücke zu schliessen.

Menschen hätten leidvolle Erfahrungen gemacht, die ihre Biografie prägten. «Das wollen wir anerkennen», sagte Hostettler. Erstellt wurde die Publikation von der Beratungsstelle für Landesgeschichte (BLG) in Zürich.

Stimmen direkt von Fürsorgemassnahmen betroffener Menschen

Den Anfang des veritablen Wälzers machen 18 biografische Texte, in denen Betroffene zu Wort kommen. Dabei geht es um Menschen, die von Fürsorgemassnahmen direkt betroffen waren, und solche, die einst im Fürsorgewesen tätig waren.

So schildert etwa eine Frau Erniedrigungen durch Klosterfrauen während ihres Aufenthalt im Kindersanatorium Theresiaheim Unterägeri in den 60er-Jahren.

Ein Mann, der in der in den 30er-Jahren als uneheliches Kind geboren wurde, landete nach der Geburt im Armenhaus, das von Chamer Klosterfrauen geführt wurde, die nichts anderes konnten «als streiten und beten».

Hinter Zwangsmassnahmen steckten oft finanzielle Beweggründe

Laut dem Bericht verfügte der Zuger Regierungsrat von 1881 bis 1954 insgesamt 599 administrative Versorgungen, nach 1944 nur noch je eine 1948 und 1954. Auf internationalen Druck wurden die Versorgungsgesetze 1981 aufgehoben.

Die Auswertung von Bürgerratsprotokollen zeigte unter anderem auf, dass oft finanzielle Beweggründe hinter Zwangsmassnahmen wie die Einweisung in Kinderheime oder Besserungsanstalten steckten.

«Bei der Wahl einer Massnahme spielte deren Finanzierung eine wichtige Rolle, weit mehr als die Frage nach deren Eignung», heisst es dazu.

Dokumente von herablassender und despektierlicher Sichtweise geprägt

Zwar kam ab 1961 verstärkt ein gewisses Verständnis für die Lebenslage der Betroffenen auf. Gleichzeitig fänden sich in den Dokumenten herablassende bis despektierliche Worte, sowie eine Sichtweise, die auf Vorurteile und Minimierung der Kosten fixiert war.

So habe der Zuger Regierungsrat etwa 1936 den Bürgerrat wegen seines «herben Misstons» und der «Anschuldigungen zum ärmlichen Dasein» gegenüber Hilfesuchenden gerügt.

Noch 1981 wurde über einen verstorbenen Bürger protokolliert, er habe dem Bürgerrat «mit seinem unsteten Leben einige Mühe bereitet», mit dem Abschluss der Vormundschaftsrechnung solle «alsdann dieses leidige Kapitel wenn möglich» abgeschlossen werden.

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