Im Prozess gegen einen ehemaligen Arzt der Psychiatrischen Klinik in St. Urban, wo ein Patient seinen Zimmernachbarn erschlug, hat eine Gutachterin das Klinikpersonal belastet. Dieses hätte den psychotischen Mann nicht in einem Mehrbettzimmer unterbringen dürfen, ohne ihn vorher zu beruhigen.
Lups Luzern
Ansicht der psychiatrischen Klinik in St. Urban im Kanton Luzern. - Luzerner Psychiatrie Lups / Keystone
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Im Prozess gegen einen ehemaligen Arzt der Psychiatrischen Klinik in St. Urban, wo ein Patient seinen Zimmernachbarn erschlug, hat eine Gutachterin das Klinikpersonal belastet. Dieses hätte den psychotischen Mann nicht in einem Mehrbettzimmer unterbringen dürfen, ohne ihn vorher zu beruhigen.

Zentraler Punkt sei das Aufnahmegespräch, aus dem sich ergebe, ob der Patient selbst- oder fremdgefährdend ist, sagte Gutachterin Corinna Paar am Donnerstag vor Bezirksgericht Willisau. Der damals diensthabende Pfleger hatte bei seiner Befragung als Zeuge gesagt, es habe beim Gespräch nichts auf eine Gefahr hingedeutet.

Dem hielt die Gutachterin entgegen, dass man dem Patienten ein Antipsychotikum in einer ungewöhnlich hohen Dosierung angeboten habe. Dies mache man gemäss Leitlinien nur beim Sonderfall der Fremdgefährdung.

Das Personal habe bloss eine Reservemedikation vorgesehen, die der Patient nehmen kann oder nicht. Hätte man effiziente Massnahmen zur Beruhigung ergriffen und sich deren Wirkung versichert, wäre unter Umständen eine Unterbringung in einem Zweibettzimmer möglich und folgenlos geblieben. «Das war aber nicht der Fall», sagte die Gutachterin.

Zwar sei das beruhigende Eintrittsgespräch eine gute Voraussetzung. Allerdings hätte das Ziel sein müssen, dass er ein angstlösendes Medikament nimmt. Zwangsmassnahmen dagegen seien nicht indiziert gewesen, da er kooperativ und hilfesuchend war. «Er tat ja, was man ihm sagte.»

Ein weiteres Thema war der Brief des einweisenden Arztes, der in der Klinik vorlag. Darin sei sehr klar formuliert, dass der Täter fremdgefährdend ist. Ein solcher Überweisungsbrief müsse den Behandelnden unbedingt vorgelegt werden. «Wenn das nicht geschehen ist, ist die zentrale Frage, wer das zu verantworten hat», sagte die Gutachterin. Es müsste dem Arzt möglich gewesen sein, die Risikofaktoren zu erkennen, die vorgelegen haben.

Der heute 40-jährige Arzt sagte vor Gericht, er habe keinen Fehler gemacht. Es sei nicht korrekt, dass aus der Überweisung des Patienten auf eine mögliche Selbst- oder Fremdgefährung zu schliessen gewesen sei. Wäre das der Fall gewesen, hätte der einweisende Arzt eine fürsorgerische Unterbringung angeordnet.

Der Patient sei nach dem Gespräch beruhigt gewesen, habe gesagt, er möchte nur schlafen. Niemand könne sagen, was nach der Untersuchung passiere. Der Staatsanwalt wirft dem Arzt fahrlässige Tötung vor. Er verlangt für ihn eine bedingte Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu 100 Franken und eine Busse von 1500 Franken.

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