Blocher und Bocuse zu Gast im Restaurant Sternen
Vom Bundesrat bis Paul Bocuse, Walter J. Erni hat sie alle bekocht. Der Sternen-Gastronom ist auch ein begnadeter Erzähler. Die Inspiration? Sein eigenes Leben.

Als Kochlehrling war der blutjunge Walter J. Erni bereits so erfolgreich, dass ihn Mövenpick-Pionier Ueli Prager vom Fleck weg einstellte.
Im Würenloser Fressbalken – damals europaweit einzigartig in Architektur und Gastronomie – lernte Erni 1971 die Grundpfeiler der modernen Systemgastronomie kennen.
Für Erni ist Ueli Prager, der Gründer von Mövenpick, den Marché-Restaurants und der Silberkugel, bis heute prägend: «Was er auch anfasste, wurde zum Erfolg. Wir standen voll und ganz hinter im – wir waren wie eine Familie.»

Ein Schweizer Koch für Kanada
Mit 23 Jahren zog es Erni von Würenlos weg und hinaus in die Welt. «Mit nichts als meinem Arbeitswillen und 3700 Franken im Sack.»
Schweizer galten als gut ausgebildet und fleissig. «Wir waren die Fahnenträger der Gastronomie, kochten überall auf der Welt – sogar im Weissen Haus.»
Auch Erni wusste zu arbeiten: Im heutigen Queen Elizabeth Fairmont Hotel in Montréal (damals zu Hilton gehörend), krempelte er um sechs Uhr morgens die Ärmel hoch. Die anderen kamen um 8 Uhr: «Sie sahen mich an und meinten: You are crazy!»
Das Hilton-Hotel war damals das weltweit grösste und verlangte logistische Spitzenleistungen. 3000 Crevetten-Cocktails zu servieren, lag an der Tagesordnung.
Bezahlt wurde alles andere als fürstlich. Erni wusste sich zu helfen: «In meiner Freizeit nahm ich an Kochwettbewerbe teil, die eigentlich für Hausfrauen gedacht waren. Natürlich gewann ich immer.» Die Preisgelder waren ein willkommener Zustupf – Erni hatte bereits Frau und Familie.

US-Präsident knapp verpasst
Dank der Wettbewerbe war der erfolgreiche Jungkoch im kanadischen Fernsehen zu sehen und mit viel Glück schaffte er es sogar in die kanadische Kochmannschaft.
Erni kochte für Stars und Prominenz, darunter auch der französische Starkoch Paul Bocuse, der Inbegriff der Sternenküche. «Er lehrte mich eines: Il y a qu’une cuisine: La bonne!»
Erni war 27 und machte Karriere. Er erhielt das Angebot, in einem Nobelhotel mit Namen Shangri-La zu kochen. «Das ist heute eine führende Luxushotelkette. Ich hatte damals keine Ahnung und sagte nur: 120 Zimmer? Das ist mir zu klein.» Erni lacht darüber im Rückblick herzhaft: «Ich Depp!»
Eines Tages meldete sich US-Präsident Ronald Reagan an zum Essen in Ernis Hotelrestaurant. Aber da hatte Erni schon seine Koffer gepackt. Es zog ihn zurück nach Hause in Wettingen. «Als der Präsident da war, ass ich bereits Bratwurst und Rösti am Küchentisch meiner Mutter.»
Zwischenstation Frohsinn
Zurück in Wettingen rief Erni als Erstes seinen alten Mentor Prager an, der ihm flugs eine Stelle verschaffte.
Doch Erni träumte insgeheim schon vom eigenen Restaurant: «Ich sass oft auf der kleinen Mauer vor dem Kloster Wettingen und schaute sehnsüchtig zum Sternen.» Doch er hatte Pech: Die Pacht ging an einen anderen.

Erni übernahm in der Zwischenzeit die Quartierbeiz seiner Mutter. «Im Frohsinn habe ich zum ersten Mal richtig Geld verdient», erinnert sich Erni. Er führte das Menu «Filet vom Stein» ein. Statt Rindsfilet lag auf dem Teller Strauss. «Das konnte man sich wenigstens leisten. Die Gäste haben bestellt wie verrückt.»
1990 wagte er einen zweiten Versuch mit dem «Sternen». Er besuchte den Verwaltungsrat und konfrontierte ihn direkt: «Sie, ich kann mir nicht vorstellen, dass sie zufrieden sind!» und sah sich kurz darauf am Ziel seiner Träume. Die Pacht für den Sternen gehörte ihm.
Endlich angekommen: Im Sternen
Inzwischen wirtet Erni seit dreissig Jahren im Sternen. Bis heute hält er den Grundsatz von Ueli Prager hoch: «Die schöne Ambiente ist das Allerwichtigste!» Und so wischt er am Morgen früh höchstpersönlich die Terrasse rein vom Laub, obwohl der Betrieb inzwischen auf eine stattliche Anzahl Mitarbeiter angewachsen ist.

Seit rund 20 Jahren ist seine Frau Andrea an seiner Seite – auch sie ist leidenschaftliche Gastronomin mit einem Flair für den gepflegten Auftritt.
Der schöne Ort und die gute Küche locken Politiker, Wirtschaftsbosse und Stars nach Wettingen.
«Alt-Bundesrat Christoph Blocher trank seinen Kaffee in der Gaststube», erinnert sich Erni. «Keanu Reeves hingegen wollte viel Privatsphäre», ergänzt seine Frau. Der Hollywood Star machte einen Abstecher während seinem Besuch in Zürich.
Der Sternen – er ist ein Geheimtipp. «Roger Federer fehlt uns noch», lacht Andrea Erni.
Das Wirtepaar ist bis heute glücklich im Sternen. Im Juni feiern sie das 30-jährige Bestehen. Eine Auszeit ist so bald nicht vorgesehen. Ein Glück für alle Fans des Sternen.
Und wer weiss – vielleicht bekommt Roger Federer tatsächlich bald Wind von dieser schönen Ambiance?