Georg Lindemann, Gemeindepräsident aus Wolfwil, schreibt die Gastkolumne für Nau in dieser Woche.
Georg Lindemann Gastkolumne
Georg Lindemann - z.V.g.
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Ich kann mir denken, dass sie bereits nach dem ersten Satz, in dem ich den Coronavirus anspreche, keine Lust mehr haben, meine Zeilen weiter zu lesen.

Und wenn ich dann noch die momentan beliebten Schlagwörter wie Unterstützung, Solidarität oder Rezession hineinpacke, wird ihre Begeisterung über diesen Artikel nochmals drastisch sinken.

Aber was möchten sie denn gerne lesen? Soll ich ihnen ein Erlebnis aus meinen letzten Auslandferien schildern? Lieber nicht! Damit würde ich wohl eher Fernwehgefühle in ihnen auslösen. Aber Reisen ins Ausland sind zurzeit gar nicht möglich.

Wollen sie von mir hören, wie mich an einem der letzten Live-Konzerte ein Künstler zum Mitsingen und Tanzen motiviert hat? Eher auch nicht! Traurig für alle, die Tickets der Rockband Gotthard, dem Argovia-Fäscht oder Gölä und Trauffer, besser bekannt als die Büetzer Buebe, in der Schublade haben und nun auf kommendes Jahr vertröstet wurden.

Haben sie vielleicht Lust auf einen Restaurant-Tipp? Soll ich ihnen ein feines Speiselokal empfehlen? Sofern es offen hat, können sie ihr Lieblingsrestaurant ja wieder besuchen. Aber haben sie wirklich Lust darauf?

Sie wissen, dass das Servicepersonal ihre Personalien aufnehmen kann, bevor sie bedient werden?

Ist ihnen das unangenehm? Fühlen sie sich deswegen in ihrer Freiheit eingeschränkt? Denken sie, Datenschutzrichtlinien seien damit verletzt worden? Und vergeht ihnen bei diesen Gedanken sogar der Appetit? Dann bleiben sie doch lieber zu Hause, setzen sich vor den Fernsehapparat und ergeben sich einem Serienmarathon auf Netflix oder Disney+.

Fiebern sie bei Outlander und der ungewöhnlichen Liebesgeschichte zwischen Claire Randell aus der Neuzeit und dem schottischen Freiheitskämpfer Jamie Fraiser aus dem 18. Jhr. mit. Oder finden sie heraus, warum der eher bescheiden verdienende Anwalt Jimmy Gill aus der erfolgreichen US-Serie Better Call Saul seinen bürgerlichen Namen in Saul Goodman ändert.

Lassen sie sich in das unendliche Star Wars Universum entführen und kämpfen sie neben Luke Skywalker, Han Solo oder Obi-Wan-Kenobi gegen die dunkle Seite der Macht oder staunen sie über das unglaubliche Leben des Joe Exotic in der Dokumentation Grosskatzen und ihre Raubtiere.

Ist es das, was ihnen zur Zeit vielleicht doch am meisten Freude bereiten würde? Oder ist das Geschehen auf dem heimischen TV-Bildschirm nur Hintergrundgedudel und ihre Aufmerksamkeit richtet sich eher auf den Computerbildschirm, wo sie mit ihren Bestellungen dafür sorgen, dass vielleicht Amazon Chef Jeff Bezos noch mehr Geld auf sein über 138 Milliarden US-Dollar schweres Konto bekommt?

Die Beantwortung der Fragen überlasse ich ihnen selber. Was mich freut: Sie lesen immer noch in meinem Artikel. Obwohl ich mich die ganze Zeit mit dem Coronavirus auseinandersetze. Ich bedanke mich dafür.

Nachdem ich ihnen nun eine Menge Fragen gestellt habe, möchte ich sie jetzt ermuntern, Taten zu vollbringen.

Unser heimisches Gewerbe hat zum Teil sehr unter dem Lockdown gelitten. Vielen Betrieben, die eigentlich arbeiten konnten, fehlten die Aufträge. Andere wollten arbeiten, wurden aber gezwungen, ihre Geschäfte zu schliessen.

Ich werde die Massnahmen des Bundes und der Kantone nicht kritisieren. Weil im Nachhinein ist jeder schlauer. Ich kritisiere einzig und allein die Menschen, die es immer noch nicht begriffen haben: Leute, die danach schreien, die Grenzen müssen geöffnet werden, damit sie wieder ins Nachbarland zum Einkaufen fahren können und Leute, die sich darüber ärgern, weil ihre Internetbestellungen eine lange Lieferfrist haben, obwohl sie jetzt wieder lokal einkaufen können.

Es ist ein Argument, welches mir niemand widerlegen kann: Nur wenn wir jetzt regional denken, retten wir die Wirtschaft, sichern Arbeitsplätze und gefährden nicht den Wohlstand in unserem Land!

Und darum werde ich ab sofort wieder regional einkaufen, regionale Handwerker berücksichtigen, ein Feierabendbier oder ein feines Menü in einem regionalen Lokal geniessen und erst danach zuhause zufrieden vor dem Fernsehapparat einnicken.

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