22 Franken pro Stunde in Baselland: Dies fordert die Mindestlohn-Initiative der Unia. Für Daria Frick (Unia) ist der Mindestlohn überfällig.
Unia Unterschrifts-Einreichung
Die Unia reicht die benötigten Unterschriften für die Mindestlohn-Initiative ein. - zVg
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Das Wichtigste in Kürze

  • Die Unia fordert einen kantonalen Mindestlohn im Baselbiet von 22 Franken pro Stunde.
  • Dafür wurden kürzlich die benötigten Unterschriften für eine Initiative eingereicht.
  • Laut Unia profitieren davon alle: direkt Betroffene, Steuerzahlende, sowie die Gemeinden.

Die Unia hat am 4. Juli 2023 die 2000 benötigten Unterschriften für die Mindestlohn-Initiative eingereicht. Es wird gefordert, dass für den ganzen Kanton Baselland künftig ein Mindestlohn von 22 Franken pro Stunde gelten soll.

Momentan arbeiten laut Unia 12'000 Personen der Bevölkerung von Baselland für weniger als 22 Franken pro Stunde. Für sie ist auch klar, dass alle von einer Annahme profitieren: Die direkt betroffenen Personen können sich ein besseres Leben finanzieren. Ausserdem müsste die restliche Bevölkerung die tiefen Löhne nicht mehr subventionieren.

Der Arbeitgeberverband ist mit dem Vorschlag nicht einverstanden und kündet Widerstand an. Für ihn ist der Mindestlohn keine Lösung, die Sozialpartnerschaft ist für ihn bewährt und ausreichend.

Nau.ch hat sich bereits mit Saskia Schenker, Direktorin des Arbeitgeberverbands Region Basel, ausgetauscht. Daria Frick von der Unia Aargau Nordwestschweiz bezieht nun für die Gegenseite Stellung. Sie erläutert uns im Interview, was aus Sicht der Unia für einen gesetzlich geregelten Mindestlohn spricht.

Unia
Die Unia ist die grösste Gewerkschaft in der Schweiz und ist branchenübergreifend. - Keystone

Nau.ch: Weshalb braucht es einen kantonal geregelten Mindestlohn für das Baselbiet?

Daria Frick: Mit der Mindestlohn-Initiative werden wir dem Grundsatz gerecht, dass ein Lohn zum Leben reichen muss. Es braucht eine Grundlage, eine Basis, damit Arbeitnehmende geschützt sind, aber auch entlastet, sowie ihre Familien und der Kanton.

Nau.ch: Kritisiert wird von den Gegnern der Initiative der entstehende Flickenteppich. Ist ein schweizweiter Mindestlohn nicht zielfördernder?

Daria Frick: Wir haben einen nationalen Mindestlohn vorgeschlagen, der bekanntlich 2014 abgelehnt wurde. Dennoch besteht offensichtlich ein klares Bedürfnis seitens der Bevölkerung und einiger Kantone nach gesetzlichen Mindestlöhnen.

Auf kantonaler Ebene kann dafür beispielsweise auf die Lebensunterhaltskosten detaillierter Rücksicht genommen werden. Aber natürlich wäre ein nationaler Mindestlohn weiterhin sinnvoll.

Nau.ch: Das Schweizer Stimmvolk hat sich bereits im Jahr 2014 mit 76,3 % gegen einen schweizweiten Mindestlohn ausgesprochen. Wieso soll jetzt ein kantonaler Mindestlohn eingeführt werden?

Daria Frick: Die Entwicklung zeigt, dass diverse Kantone bereit für einen Mindestlohn sind. Es ist zeitgemäss und entlastend für alle. Wie bereits erwähnt, lässt sich durch kantonale Mindestlöhne besser auf die einzelnen Kantone eingehen.

Die Resonanz auf die Unterschriftensammlung war bereits durchwegs positiv. Die Bevölkerung von Baselland findet es zeitgemäss und wichtig einen gesetzlichen Mindestlohn zu haben, für sich, ihre Familien, aber eben auch für die Gemeinden.

Sind Sie für einen gesetzlich geregelten Mindestlohn?

Nau.ch: Trotz Forderung sind einige Ausnahmen vorgesehen. Weshalb soll ein Mindestlohn nicht für jede und jeden in Baselland gelten?

Daria Frick: In Baselland verdienen 4 % der Bevölkerung unter 22 Franken pro Stunde. Das bedeutet, dass die Steuerzahlenden, die Gemeinden, schlechte Löhne quersubventionieren. Mit einem Mindestlohn werden alle entlastet.

Die betroffenen Familien können einmal mehr in den «Zoolli» oder sich eine gute Winterjacke für das Kind leisten und die Steuerzahlenden, sowie damit auch die Gemeinden, werden ebenfalls entlastet.

Dadurch, dass diese Familien etwas mehr im Portemonnaie haben, wird die lokale Wirtschaft angekurbelt, weil man sich eben, einen Besuch im «Zoolli» leisten kann oder ein Essen mit der Familie. Gleichzeitig profitieren auch die Unternehmen, weil der Mindestlohn vor Lohndumping schützt und für klare Verhältnisse sorgt.

Zumal in Baselland die meisten Unternehmen bereits eh über 22 Franken pro Stunde bezahlen. Die Ausnahmen orientieren sich am OR mit einem Zusatz im Bereich Landwirtschaft – so wollen wir landwirtschaftliche Familienbetriebe schützen.

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Die Unia ist mit über 180'000 Mitgliedern die grösste Arbeitnehmerorganisation der Schweiz. (Archivbild) - sda - KEYSTONE/VALENTIN FLAURAUD

Nau.ch: Die letzten beiden Vorstösse zum Thema wurden abgelehnt. Wieso gehen Sie jetzt von einem Erfolg der Initiative aus?

Daria Frick: Ein Mindestlohn führt grundsätzlich dazu, dass die Arbeit attraktiver wird, er entlastet Arbeitnehmende, Familien, aber eben auch die Steuerzahlenden. Zudem bezahlen die meisten Unternehmen in Baselland bereits über dem Mindestlohn, es geht also vor allem um eine gesetzliche Grundlage, die für gleichlange Spiesse sorgt.

Damit kann also mit wenig Aufwand, viel bewirkt werden, da doch rund 12'000 Personen vom Mindestlohn profitieren werden. Ausserdem belegen Studien zum Mindestlohn an anderen Orten, die es bis jetzt gibt, sowie wissenschaftliche Erkenntnisse diesbezüglich, dass der Mindestlohn ein sehr gutes Instrument zur Verhinderung von Working Poor ist.

Es kann nicht sein, dass es Menschen – vor allem Frauen – gibt, in einem solch vorbildlichen Kanton wie Baselland, die nicht von ihrer Arbeit leben können.

Nau.ch: Eine Studie von Conny Wunsch befasst sich mit ersten Ergebnissen des eingeführten Mindestlohns in Basel-Stadt. Diese ergab, dass sich die Preise betroffener Unternehmen erhöht, Stellen zurückhaltender besetzt und Investitionen reduziert wurden. Wie ordnen Sie diese Erkenntnisse ein?

Daria Frick: Die von einer bürgerlichen, offensichtlich Arbeitgeberfreundlichen Ökonomin zusammengewürfelte Umfrage, ist nicht nur inhaltlich und politisch dubios, sondern eine pure Farce.

Denn bei der «Studie» von Frau Wunsch handelt es sich um eine nicht repräsentative Umfrage einiger Unternehmen. Daraus irgendwelche Schlussforderungen abzuleiten, ist unseriös.

Das zeigt sich schon in offensichtlich unrichtigen Aussagen gegenüber der Basler Zeitung. Zum Beispiel, dass circa 70 % der Unternehmen in der Gastronomie, die einem GAV unterstellt und damit bekanntlich vom Mindestlohn ausgenommen, vom Mindestlohn «betroffen» seien.

Sämtliche wissenschaftlich haltbaren Studien und alle uns bisher zur Verfügung stehenden Daten und Zahlen kommen zum Schluss, dass ein angemessener hoher Mindestlohn ein gutes Instrument zur Verhinderung von Working Poor ist. Ausserdem gehen keine Arbeitsplätze verloren und der Mindestlohn wirkt sich sogar positiv auf diese aus.

Die Frage ist doch, weshalb sich Personen, die pro Monat mit Sicherheit ein Vielfaches eines Basler Mindestlohns verdienen, sich offensichtlich gewaltig daran stören, dass eine Handvoll von Arbeitskräften nun einmal mehr ins Kino gehen oder dem Kind eine gute Winterjacke kaufen können: Warum?

Zur Person

Daria Frick arbeitet bei der Unia Aargau Nordwestschweiz als Leiterin Politik und Kommunikation.

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