Fredi Bacchetto wuchs in Zürich auf und kam 1993 nach Laupen. Dort gründet er 2017 mit seiner Familie den Verein Medincharge, um Menschen in Nepal zu helfen.
fredi bacchetto
Fredi Bacchetto in seinem Wohnzimer in Laupen. - Nau

In Zürich als italienischer Secondo aufgewachsen studierte Fredi Bacchetto Medizin. 1991, als Facharzt für Allgemeinmedizin, zog es ihn, seine Frau Christine und die drei Monate alte Anja nach Lesotho. Zwei Jahre leistete der damals 34-Jährige Entwicklungszusammenarbeit im südlichen Afrika.

«Es war eine super Zeit für mich als Arzt. Nach einigen Wochen hatte ich bereits so viele Kaiserschnitte gemacht, wie man für die Ausbildung zum Geburtshelfer bräuchte.» Auch viele schwierige Operationen, wie zum Beispiel am Schädel, musste der Allgemeinmediziner durchführen.

Fredi Bacchetto
Fredi Bacchetto übergibt den Menschen in Nepal Medizin. - Medincharge

In der Schweiz dürfe man nicht einmal einen eingewachsenen Zehennagel operieren, wenn man kein Chirurg sei. Als die kleine Familie Südafrika verliess, zog sie in ein Reihenhaus in Laupen.

Erster Kontakt zu Nepal

«Ich wollte vor dem Ausland eigentlich eine Praxis eröffnen.» Doch die Zeit in Afrika habe seine Sichtweise verändert, erklärt Bacchetto. Er arbeitete dann als hauptamtlicher Schularzt in Bern und machte dazu eine Zusatzausbildung als Facharzt in Prävention und Gesundheitsförderung.

Christine Bacchetto
Christine Bacchetto spielt mit Kindern Seilziehen in Nepal. - Medincharge

1992 kamen Tobias und 1997 Cristina zum Familienglück dazu. Die Zeit verging und der Familienvater arbeitete anschliessend 19 Jahre bei einer Versicherung als Vertrauensarzt und Manager. «Als meine Pensionierung näher rückte, reizte es mich, wieder Entwicklungszusammenarbeit zu leisten.»

Mit 60 Jahren machte sich Bacchetto selbständig, um sich diesen Wunsch zu erfüllen. «Afrika kam für die Familie aber nicht mehr infrage.»

Über einen Versicherungsfall habe er einen Hals-Nasen-Ohren-Arzt kennengelernt. Dieser sei damals schon jährlich nach Nepal gereist, um Menschen zu operieren. So entstand der erste Kontakt zu Nepal.

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Tobias Bacchetto hilft den Kindern in der Schule. Er machte seinen Zivildienst bei Medincharge. - Medincharge

Auch seiner Frau Christine habe die Idee gefallen, dort Hilfe zu leisten. So kam es, dass das Ehepaar 2017 zum ersten Mal nach Südasien reiste.

Sie hätten Kontakte knüpfen und den Ort kennenlernen wollen. «Wir trafen dort Bobby Anthony, er war gerade dabei die Antyodaya-Schule aufzubauen. Wir wollten ihn dabei unterstützen.»

200 Kinder sind in der Antyodaya-Schule zuhause

So habe die Familie kurzerhand den Verein Medincharge gegründet, welcher als Gefäss für Spendengelder diene. Das sei die einfachste juristische Lösung gewesen, sagt der 63-Jährige. Das meiste Geld würde man durch einen stetig wachsenden Freundes- und Bekanntenkreis erhalten.

Fredi Bacchetto
Die Kinder in der Antyodaya-Schule bekommen drei warme Mahlzeiten durch die Spenden von Medincharge. - Medincharge

In den darauffolgenden Jahren verbrachte Fredi Bacchetto gut fünf Monate im Jahr in Nepal. Die Schule sei durch die Spenden in Rekordzeit aufgebaut worden.

Ungefähr 200 Kinder von 4 bis 18 Jahren seien dort derzeit zuhause. «Wir hatten Glück, dass alles so gut lief. In Armutsländern ist Korruption ein grosses Problem und Hindernis.»

Die Antyodaya-Schule nehme vor allem Chepang-Kinder auf. Dieses indigene Volk gehöre zu den Ärmsten im ganzen Land.

In der Zeit, in der er in Nepal ist, macht der Allgemeinmediziner Untersuchungen in der Schule. «Viele Kinder leiden nach den Ferien an Hautkrankheiten. Hauptsächlich wegen mangelnder Hygiene.»

Fredi Bacchetto
Cristina Bacchetto (vorne) und andere freiwilligen Helferinnen waschen die Haare der nepalesischen Kinder. - Medincharge

Er besuche auch Dörfer, wo noch kein Auswärtiger vorher gewesen sei. In vor Ort aufgebauten Health Camps lässt Bacchetto den verarmten Menschen medizinische Grundhilfe zukommen.

Durch Vertrauensleute aus Nepal sorgt der Verein auch dafür, dass die einzelnen Dörfer an Reis kommen. Die Zustände dort seien zum Teil verheerend.

«Das ist manchmal schwierig zum Aushalten»

Mit glänzenden Augen erzählt der Familienvater von einem neun Monate alten Mädchen, das weniger als vier Kilogramm wog. «Ich dachte, dieses Kind überlebt es nicht.»

Vor ein paar Monaten sei er wieder in diesem Dorf gewesen. «Ich sah das Mädchen. Es ging ihm viel besser. In diesem Moment wurde mir bewusst, dass Ärzte keine Prognosen über den Tod machen sollten.»

Fredi Bacchetto
Fredi Bacchetto hilft einem Baby in einem Dorf in Nepal. - Medincharge

Eine grosse Schwierigkeit sei das Hin und Her zwischen Laupen und dem Nepal. «Ich sah die stark unterernährten Kinder zwei Tage, bevor ich zurück in die Schweiz reiste.»

Eine Woche vor Weihnachten kam der Familienvater in Kloten an. «Ich sah überall diese Konsumtempel, diese Verschwendungen und die vielen Esswaren, die in der Schweiz weggeworfen werden. Das ist manchmal schwierig zum Aushalten.»

Man gewöhne sich ja an vieles im Leben. «Aber das Elend, das ich sehe, ist furchtbar.» Es sei aber nicht unerträglich. Es gehöre nun mal zum Teil der Realität seines Alltags.

Bacchetto würde sich wünschen, dass die Menschen mehr miteinander teilten. «Es ist gar nicht so grossartig, was ich hier mache. Es ist einfach ein riesiges Privileg, diesen Einsatz in der Entwicklungszusammenarbeit leisten zu dürfen. Ich gebe damit von dem Überfluss, den ich besitze, etwas ab.»

Fredi bacchetto
Zu Weihnachten schenkte eine Schweizer Getränkefirma Plüschtiere an die Kinder der Antyodaya-Schule. - Medincharge

Einsatzberichte, Bilder und weitere Infos sind auf der Webseite von Medincharge zu finden.

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