Langenthals Gemeinderat plant das Budget 2023 mit einer Steuererhöhung auf 1.44 Einheiten. Marcel Hirsiger (SP) stimmt dem Vorschlag zu.
Marcel Hirsiger, Co-Präsident der SP Langenthal. - SP Langenthal
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Am 29. August 2022 steht im Langenthaler Stadtrat das Budget 2023 zur Debatte. Wieder einmal steht die Frage einer möglichen Steuererhöhung im Vordergrund, die in der Vergangenheit bereits für heftige Diskussionen sorgte.

Nau.ch hat bereits mit Michael Sigrist (EVP) über das Budget 2023 gesprochen. Marcel Hirsiger, Co-Präsident der SP Langenthal, nimmt nun in einem Kurzinterview mit Nau.ch Stellung dazu.

Nau.ch: Ist Ihre Fraktion mit dem Budgetvorschlag einverstanden und falls nein, welche Änderungen sind Ihrer Meinung nach noch nötig?

Marcel Hirsiger: Der Finanzplan 2023 bis 2027 des Gemeinderates ist für die SP Langenthal sehr besorgniserregend.

Die Verschuldung nimmt bis 2027 ein inakzeptables Mass von über 160 Millionen Franken an, der Verlust fällt mit 4,5 Millionen Franken grösser aus als noch vor einem Jahr geplant, Kostensenkungen sind inzwischen komplett ausgereizt.

Zahlreiche Projekte mussten in der Vergangenheit zurückgestellt oder redimensioniert werden, insbesondere im Sozial- und Bildungsbereich, für den wir uns auch in Zukunft starkmachen werden.

Damit Langenthal auch weiterhin genügend Kapital für den Erhalt der notwendigen Infrastruktur und der Lebensqualität hat, muss das Defizit mittelfristig beseitigt werden.

Für die SP Langenthal ist es daher folgerichtig, dass nun eine Kehrtwende in den städtischen Finanzen geschafft wird.

Nau.ch: Gemäss dem Budget 2023 wird der Steuerfuss von 1.38 Einheiten auf 1.44 Einheiten erhöht. Inwiefern ist diese Erhöhung gerechtfertigt?

Marcel Hirsiger: Die Steuersenkung wurde vor über zehn Jahren als befristete Massnahme eingeführt, um den Gewinn aus dem Verkauf der Onyx zu verteilen und das Eigenkapital gezielt zu reduzieren.

Der Plafond ist nun erreicht. Die strukturellen Defizite der letzten Jahre lassen keine andere Lösung mehr zu, wurden doch bereits jetzt in vielen Bereichen Einschränkungen hingenommen.

Wäre für Sie eine Steuererhöhung von 1.38 auf 1.44 Einheiten tragbar?

Gleichzeitig muss die Stadt Anstrengungen unternehmen, um etwa im Bildungs- und Sozialbereich attraktiv zu bleiben. Hinzu kommen neue, grosse Herausforderungen in der Energieversorgung und der Mobilität.

Für die SP Langenthal bleibt daher nur die Erhöhung der Steuern, wie dies vom bürgerlich dominierten Gemeinderat selber vorgeschlagen wird.

Trotz der Anpassung auf 1.44 Einheiten bleibt Langenthal steuerlich hoch attraktiv im kantonalen Vergleich: Auch nach der Steuererhöhung sind wir auf Platz 25 im Kanton Bern und damit weiterhin bei den steuerlich günstigsten Zentrumsstädten.

Hinzu kommt, dass die Steuererhöhung zwar sprichwörtlich einem sauren Apfel entspricht, aber in absoluten Zahlen für die Steuerzahlerinnen und -zahler bescheiden ausfällt: Bei einem steuerbaren Einkommen von 75'000 Franken entspricht dies monatlich 3 Kaffees, die künftig mehr bezahlt werden müssen.

Nau.ch: Das Ergebnis des Budget 2023 ist laut Antrag als «wirtschaftlich tragbar» einzustufen. Was sind für Sie weitere wichtige Punkte im Budget für Langenthal?

Marcel Hirsiger: Das Budget ist für die SP Langenthal an der Schmerzgrenze, wurden doch durch den Gemeinderat bereits zahlreiche Kürzungen gemacht.

Kleinere Investitionen wurden einmal mehr hinausgeschoben, in vielen Bereichen finden sich Streichungen oder wurden nur ungenügend Möglichkeiten für Anpassungen eingeplant.

All dies wirkt sich über kurz oder lang auch auf die Lebensqualität in Langenthal aus: Die Attraktivität misst sich eben nicht nur an der Höhe der Steueranlage, sondern am Angebot einer Stadt.

Sorge bereitet uns aber auch die Liste mit den Vorschlägen des Gemeinderates, worauf bei einem Steuerfuss von weiterhin 1.38 Einheiten alles verzichtet werden soll: Hier geht es wirklich ans Eingemachte, wenn sogar Ferienlager für Schulkinder oder Massnahmen zur Gewaltprävention (SIP) gestrichen werden.

Eine solche Finanzpolitik ist nicht mehr tragbar, trifft sie doch die Gesellschaft in ihrem Kern. Es geht daher in der Tat um einen wegweisenden Entscheid, um Langenthal auch künftig attraktiv zu machen.

Zur Person

Marcel Hirsiger (44) ist Co-Präsident der SP Langenthal sowie Mitglied der städtischen Kulturkommission.

Er arbeitet als Dozent für Betriebswirtschaftslehre und Osteuropaexperte an der Hochschule für Wirtschaft der Fachhochschule Nordwestschweiz.

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