Literatur-Räuber klauen russische Werke – auch in der Schweiz
Die Bibliothek von Genf ist Opfer eines Diebstahls mit internationalem Charakter geworden: Diebe stahlen einen Sammelband des russischen Nationaldichters Alexander Puschkin. Der im Januar bekannt gewordene Fall ist das bisher letzte bekannte Glied einer Kette solcher Diebstähle vom Baltikum bis nach Paris. Schweizer Institutionen sind auf der Hut.
Laut der Universität Bern sind die relevanten Teilbibliotheken – Schweizerische Osteuropabibliothek, Fachstelle Historische Bestände, Bibliothek Slavistik – über ihr Netzwerk «bereits seit Längerem» über die Diebstahlserie im Bild.
«Auch unter den Beständen dieser Bibliotheken finden sich ältere russischsprachige Drucke, allerdings keine der offenbar von den Dieben besonders ins Auge gefassten Erstausgaben besonders prominenter russischer Dichter und Schriftsteller wie etwa Puschkin oder Lermontov», teilte ein Sprecher der Universität gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA mit.
Bisher keine Vorfälle in Basel und Zürich
Diebstähle gab es bisher denn auch keine. Auch die Universität Basel und die Zentralbibliothek Zürich sind über die Diebstahlserie informiert, blieben bisher aber vor Diebstählen verschont, wie sie auf Anfrage mitteilten. Wertvolle Bestände können in den angefragten Bibliotheken nur im Lesesaal unter Aufsicht eingesehen werden.
Die Zentralbibliothek Zürich wollte ihre zusätzlichen Sicherheitsmassnahmen nicht kommentieren. In Basel seien bisher keine speziellen Massnahmen getroffen worden, hiess es. Die Bibliothek von Genf verschärfte nach dem Diebstahl des Puschkin-Werks ihre Sicherheitsmassnahmen, nannte jedoch keine Details. Das eröffnete Strafverfahren in der Sache wurde von der zuständigen Genfer Staatsanwaltschaft bisher nicht kommentiert.
Die Literaturräuber befinden sich jedenfalls schon lange auf Diebestour. Den ersten Diebstahl russischer Literatur machte die französische Nachrichtenagentur AFP im April 2022 aus: Damals wurden in der Nationalbibliothek von Lettland drei Bücher geklaut. Wohl im selben Monat verschwanden acht Werke von Puschkin und Gogol aus der Universitätsbibliothek von Tartu in Estland. Geschätzter Wert der estnischen Beute: 158'000 Euro.
Gestohlene Werke durch Kopien ersetzt
Die Diebe hatten die Originalausgaben durch Kopien ersetzt. Im Mai 2022 das gleiche Spiel in Litauen: Aus der Universitätsbibliothek Vilnius verschwanden 17 Bücher – diesmal belief sich ihr Wert auf 440'000 Euro. Die meisten wurden wieder durch Kopien ersetzt, wie AFP schreibt.
Besonders hart traf es später die polnische Universitätsbibliothek Warschau, die im Oktober 2023 feststellen musste, dass 79 Werke aus dem russischen Katalog fehlten. Schadensschätzung der Uni: etwa eine Million Euro. Zurück liessen die Diebe – einmal mehr – Kopien der gestohlenen Werke. Sie «reichen von schlampigen Nachahmungen bis hin zu sorgfältigen Fälschungen», wie AFP schrieb.
Letzten Oktober schliesslich standen in Paris drei Personen vor Gericht: Ihnen wurde vorgeworfen, Anfang des Monats ein Dutzend Werke aus dem Institut national des langues et civilisations orientales (INALCO) geklaut zu haben. Ähnliches war schon im Juli davor in Lyon passiert. Eines der in Paris erbeuteten Bücher – das wie die anderen nicht mehr auftauchte – hatte laut AFP einen Wert von 60'000 Euro. Zumindest in den Fällen in Frankreich und in Lettland waren dem Vernehmen nach Personen aus Georgien involviert. Die Motivation hinter den Diebstählen scheint monetärer Natur zu sein – darauf lässt zumindest ein Vorkommnis Ende Dezember 2022 schliessen.