Forschungsrückschläge bei Pharmakonzernen haben etwa die gleichen Folgen wie der Elchtest seinerzeit bei Mercedes: Dem Unternehmen gehen erhoffte Umsätze verloren. Wie brutal die Börse reagiert, haben in den letzten Tagen Roche-Bons erlebt.
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Die Roche ist das grösste Familienunternehmen in der Schweiz. (Archivbild) - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Der Riese aus Basel hat nicht nur mit einer Studie gefloppt, sondern innerhalb weniger Wochen dem Markt gleich drei schlechte Nachrichten geliefert - eine schlimmer als die andere.

Jedes Mal ging es um Krebskandidaten und jedes Mal schwand etwas mehr Hoffnung auf zukünftige Umsätze. Der Markt hat denn auch prompt reagiert: Nicht weniger als ein Favoritenwechsel scheint bei den Schweizer Pharmawerten in Gang zu sein.

Denn je stärker es zuletzt für Roche abwärts ging, desto mehr ging es für Novartis aufwärts - eine Umkehr des 2021er Trends. So stehen bei den Roche-Bons seit Beginn des Jahres aktuell Kursverluste von knapp 16 Prozent zu Buche, während die Novartis-Aktien ein Plus von 8 Prozent aufweisen. 2021 wiederum haben Novartis 4 Prozent eingebüsst, während Roche um knapp 23 Prozent gestiegen sind.

Bereits Mitte April rumorte es für den Pharma-Konzern erstmals an der Börse, da hatte der UBS-Analyst Michael Leuchten eine Verkaufsempfehlung für die Bons ausgegeben. Viele Marktteilnehmer wurden auf dem falschen Fuss erwischt.

Der UBS-Analyst Leuchten argumentierte, bei dem Pharmakonzern seien die Risiken in diesem Jahr sehr stark auf einen Punkt zugeschnitten: Alzheimer.

Roche gehört zu den wenigen Konzernen, die weiterhin in diesem Feld forschen. Bislang haben sich alle Konzerne nur die Finger daran verbrannt. Auch die Theorie, die Roche verfolgt, wird seit vielen Jahre von Big Pharma getestet und funktionierte bislang noch nie. Dass Roche dennoch weiter am Ball bleibt, ist trotzdem nachvollziehbar, denn das Marktpotenzial ist gigantisch.

«Jede erfolgreiche Alzheimer-Therapie könnte einen Umsatz von mehr als 10 Milliarden US-Dollar erzielen, wenn sie einen bedeutenden kognitiven Nutzen nachweisen würde», lautet die Einschätzung Leuchtens. Er habe aber die Sorge, dass Roche mit seinem Kandidaten Gantenerumab der falschen Frage hinterherlaufe.

«Die Herausforderung für Investoren ist, dass man bei Roche zusätzlich zu den jüngsten Misserfolgen nun auch noch mit einem grossen binären Event konfrontiert ist», erklärt Vontobel-Analyst Stefan Schneider im Gespräch mit AWP. Damit gemeint ist, dass die Daten entweder positiv oder negativ ausfallen. Erwartet werden die Ergebnisse aus dem Alzheimer-Programm nicht vor dem vierten Quartal 2022.

Dies sei in einem Umfeld wie jetzt, in dem Ukraine-Krieg, Inflation und Rezessionsängste die Stimmung belasteten, herausfordernd. Denn dieser binäre Event gehe auch mit viel Volatilität einher, irrelevant wie die Ergebnisse am Ende ausfallen, so Schneider weiter.

Ähnlich wie Schneider sehen es auch viele andere Analysten. Nach der gescheiterten Krebsstudie purzelten die Kursziele regelrecht. Ein Experte nach dem anderen ging zu mehr Vorsicht über, weitere wie etwa Peter Welford von Jefferies senkten auch ihre Ratings. Sie alle sorgen sich um diese grosse Unbekannte im vierten Quartal.

Dieser Wandel ist dennoch überraschend. In den ersten Monaten dieses Jahres galt Roche noch als das Papier, das man haben sollte, wegen einer prall gefüllte Pipeline, die für einen steten Nachrichtenfluss sorgen sollte.

Novartis dagegen galt in puncto Pipeline-Nachrichten als nicht ganz so spannend. Wie Vontobel-Experte Schneider erklärt, sind bei dem Konzern weniger Nachrichten im Rest des Jahres zu erwarten. «Das heisst, Investoren werden weniger mit positiven - aber eben auch negativen klinischen Daten konfrontiert sein, die eine Tragweite haben, wie wir das bei Roche gesehen haben und noch erwarten», so der Experte. «Das ist in einem Umfeld wie derzeit gar nicht schlecht.»

Auch wenn sich bei Investoren und Analysten aktuelle ein gewisser Favoritenwechsel abzeichnet, hat auch der neue Favorit noch einiges an Überzeugungsarbeit zu leisten. So muss Novartis beweisen, dass die Pipeline ausreichend gut gefüllt ist mit neuen Therapien, um Umsatzausfälle durch ablaufende Patente aufzufangen. Auch die jüngst angekündigte neue strategische Ausrichtung des Unternehmens muss noch den Beweis liefern, dass sie den gewünschten Erfolg bringt.

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