Angesichts der Drosselung russischer Gaslieferungen nach Deutschland ist eine neue Debatte über das Energiesparen entbrannt - Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will entsprechende Massnahmen notfalls gesetzlich regeln.
Thermostat einer Heizung
Thermostat einer Heizung - AFP/Archiv
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Das Wichtigste in Kürze

  • Mögliches Absenken der Mindesttemperatur in Wohnungen sorgt weiter für Diskussionen.

Der Vorschlag, die Mindesttemperatur in Mietwohnungen zu senken, habe «Tücken» und sei «nicht ganz einfach», hiess es aus Habecks Ministerium am Freitag. Es werde aber alles sorgfältig geprüft. Nach Frankreich fliesst inzwischen überhaupt kein russisches Gas mehr durch Pipelines.

Der russische Gazprom-Konzern hatte in den vergangenen Tagen seine Lieferungen in mehrere EU-Länder gedrosselt - die Lieferungen über die Pipeline Nord Stream 1 nach Deutschland wurden um 60 Prozent verringert. Offiziell wird dies mit Wartungen begründet, die Bundesregierung hält die Reduzierungen jedoch angesichts des Ukraine-Kriegs für politisch motiviert. Die «notwendigen Reparaturarbeiten» würden eine «derartige Drosselung des Gasflusses nicht rechtfertigen», betonte ein Sprecher Habecks am Freitag.

Das Gebot der Stunde ist nun mehr denn je Energiesparen: Sollten die Gasspeichermengen nicht zunehmen, «dann werden wir weitere Massnahmen zur Einsparung, zur Not auch gesetzlich, vornehmen müssen», sagte Habeck dazu am Donnerstagabend in den ARD-«Tagesthemen». Zuletzt waren die Speicher zu rund 57 Prozent gefüllt. «Wir müssen die Lage sehr genau beobachten», sagte Habecks Sprecher.

Auch Habeck sprach von einer «ernsten Lage». Für die nächste Zeit sei die Versorgungssicherheit gewährleistet, betonte er. Allerdings sei klar, dass Deutschland mit dem derzeitigen Speicherstand «nicht in den Winter gehen» könne. «Dann müssen die voll sein.»

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund brachte, wie zuvor bereits der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, ein Absenken der Mindesttemperatur in Mietwohnungen ins Gespräch. Vermieter seien verpflichtet, eine Temperatur von 20 bis 24 Grad zu gewährleisten - «das muss geändert werden», forderte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg in der «Rheinischen Post» vom Freitag. «Auch eine Wohnung mit 18 oder 19 Grad kann noch gut bewohnt werden und dieses vergleichsweise kleine Opfer sollten alle mittragen können.»

Dazu sagte Habeck, damit habe sich die Regierung noch nicht intensiv befasst. Ausserdem werde der Minister dabei «sehr genau» hinhören, was das Bauministerium dazu sage, sagte sein Sprecher. Bei einer Gasknappheit im Winter wäre vielmehr der erste naheliegende Schritt, Heizkraftwerke mit Kohle statt Gas zu befeuern.

Landsberg nahm aber auch die Kommunen in die Pflicht: «Beim Einsparen sind nicht nur die Bürgerinnen und Bürger gefordert, sondern auch die Kommunen mit ihren Tausenden von Verwaltungsgebäuden und anderen Einrichtungen», sagte er. Zu konkreten Einsparplänen gehörten etwa die Absenkung der Temperaturen in Verwaltungsgebäuden und Schwimmbädern sowie möglicherweise auch die zeitweise Schliessung einzelner Einrichtungen.

Der Eigentümerverband Haus & Grund bezeichnete es prinzipiell als «sinnvoll», die Temperatur in Räumen abzusenken. Ein Grad weniger bedeute sieben Prozent weniger Energieverbrauch. Die privaten Vermieter würden trotzdem alles tun, um im Winter warme Wohnungen zu ermöglichen.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) warnte allerdings im Fall gesetzlicher Massnahmen vor überzogenen Erwartungen an die Bürgerinnen und Bürger. «Haushalten mit ohnehin schon geringem Gas- und Stromverbrauch sind keine weiteren Belastungen zuzumuten, weil sie nicht weiter einsparen können», sagte Thomas Engelke vom vzbv dem «Handelsblatt». Bei einem Notstand müssten Privathaushalte als gesetzlich geschützte Kunden weiter versorgt werden.

Energiesparen gelinge indes nur «gemeinsam», fuhr er fort. «Industrie, Handel, Gewerbe, öffentlicher Sektor und private Haushalte müssen ihren Beitrag leisten.»

Nach Frankreich fliesst seit Mittwoch kein russisches Gas mehr durch Pipelines, wie der Netzbetreiber GRTgaz am Freitag erklärte. Der italienische Energiekonzern Eni teilte mit, am Freitag nur 50 Prozent der bestellten Menge zu erhalten.

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