Bei den meisten Angestellten können die Lohnerhöhungen nicht mit der Teuerung mithalten. Da die Inflation auch die Firmen belasten, liege oft nicht mehr drin.
Lohnrunde 2023
Zwei Personen sitzen sich am Bürotisch gegenüber rund diskutieren. - Keystone
Ad

Das Wichtigste in Kürze

  • Die von den Gewerkschaften erkämpften Lohnerhöhungen halten nicht mit der Teuerung mit.
  • Ein Experte ordnet ein: Auch die Firmen würden unter der importierten Inflation leiden.
  • Deshalb seien die meisten mit Lohnerhöhungen zurückhaltend.

Die Gewerkschaften und Berufsverbände konnten für 2023 die höchsten Lohnzuwächse der letzten 20 Jahre aushandeln. Allerdings sind die Preise im selben Zeitraum auch nie so stark angestiegen, wie in diesem Jahr.

Trinkgeld
Schweizer Münzen neben einem Protmonnaie und einer Kaffeetassee. (Symboldbild) - Keystone

Das führt dazu, dass die Löhne teilweise um bis zu vier Prozent steigen, wie etwa in der Gastrobranche. Durch den Anstieg der Lebenshaltungskosten bleibt am Ende des Monats aber nicht mehr Geld im Portemonnaie. Die meisten Angestellten müssen sogar einen Rückgang der Kaufkraft hinnehmen.

Auch Unternehmen leiden unter importierter Teuerung

Im Normalfall komme es zu einer Teuerung, weil die Firmen im Inland die Preise erhöhten. Dann seien Lohnanpassungen an die Inflation am meisten gerechtfertigt, denn die Firmen hätten ja dann auch höhere Einnahmen und die Lohnbezügerinnen und -bezüger diese teilweise durch ihre Konsumausgaben finanziert. «Doch in diesem Jahr war das anders», erklärt ETH-Arbeitsmarktforscher Michael Siegenthaler.

Michael Siegenthaler
Michael Siegenthaler von der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich. - zVg

«Die Inflation kommt aktuell primär aus dem Ausland, etwa wegen der erhöhten Energiepreise. Die Teuerung trifft somit auch die Unternehmen. Sie haben höhere Kosten, ohne dass dadurch deren Umsatz oder der Gewinn gestiegen sei», so der Experte. Deshalb seien die Arbeitgeber bei Lohnerhöhungen so zurückhaltend.

Es gebe aber auch Faktoren, die einen guten Lohnabschluss begünstigen, wie dies in der Gastrobranche der Fall war. Siegenthaler verweist auf die Situation auf dem Arbeitsmarkt: «Die fehlenden Fachkräfte bringt Arbeitnehmer in eine gute Verhandlungsposition.»

Bis 80er Jahre war Anstieg des Reallohns üblich

Rechtlich gesehen gebe es keinen generellen Anspruch auf einen Teuerungsausgleich beim Lohn. Historisch gesehen sei es jedoch durchaus üblich, dass die Löhne mit den Preisen steigen. «Eigentlich war lange Zeit sogar ein Anstieg des Reallohns üblich», erklärt der Ökonom. Die Löhne sind meist also mehr als die Inflation gewachsen.

Früher sahen viele Arbeitsverträge zudem einen automatischen Teuerungsausgleich vor. Doch seit den späten 80er-Jahren habe sich dies geändert. «Automatische Lohnanpassungen an die Teuerung sind heute nicht mehr so institutionalisiert», betont Siegenthaler.

Kaufkraftverlust bremst Schweizer Wirtschaft

Eine Lösung im Sinne der Arbeiterschaft wäre eine Indexierung der Löhne, wie es sie etwa bei gewissen Sozialleistungen gebe. Auch in einigen wenigen Gesamtarbeitsverträgen (GAV) sei eine Indexierung, etwa der Mindestlöhne, vereinbart. «Für alle andere gilt der Grundsatz: Jede und jeder muss selbst schauen, dass er einen Teuerungsausgleich bekommt.»

Erhalten Sie im nächsten Jahr mehr Lohn?

Die ausbleibenden Lohnerhöhungen trotz Inflation bremsen gemäss Konjunkturforscher Siegenthaler das Wirtschaftswachstum: «Der grösste Teil der Konsumenten sind Lohnbezüger. Wenn die Reallöhne sinken, belastet dies das Wirtschaftswachstum im Land, etwa im Detailhandel. Das tiefe Reallohnwachstum hat das Wachstum bereits in diesem Jahr gebremst, und wird auch im nächsten Jahr spürbar bremsen.»

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

TeuerungsausgleichArbeitsmarktInflation