DeFi-Anwendungen könnten für Nutzer die Bankenwelt ersetzen. Die «traditionelle Finanzwelt» beginnt sich zu interessieren.
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Die Kryptowährung Bitcoin. - AFP/Archiv
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Das Wichtigste in Kürze

  • In der Kryptowelt ist eine milliardenschwere Finanzinfrastruktur entstanden.
  • Als Plattform für das Tauschen von Kryptowährungen dient die «Decentralized Finance».
  • Das Wachstum verläuft seit vergangenem Jahr explosionsartig.

Parallel zu den traditionellen Finanzmärkten ist in der Kryptowelt eine milliardenschwere Finanzinfrastruktur entstanden. Abseits von Börsen oder Banken werden auf den Plattformen der «Decentralized Finance» (DeFi) Kryptowährungen getauscht, Gelder deponiert und Kredite aufgenommen.

Bereits die Bitcoin-Gründer wollten mit ihrer Internet-Währung die Bankenwelt überflüssig machen. Die DeFi-Anwendungen scheinen auf diesem Weg nun weiter voranzukommen: Die für alle und von überall her zugänglichen automatisierten Plattformen können für Krypto-Nutzer die Rolle von Sparkonti oder von Finanzmärkten übernehmen. Zunehmend beginnt sich nun auch die «traditionelle Finanzwelt» dafür zu interessieren.

Explosionsartiges Wachstum

Seit dem vergangenen Jahr haben die DeFi-Anwendungen, die zum überwiegenden Teil auf der Blockchain der Kryptowährung Ethereum aufgebaut sind, ein fast explosionsartiges Wachstum erlebt: Laut der Webseite «DeFi Pulse» sind derzeit Kryptowährungen im Wert von rund 65 Milliarden Dollar auf den DeFi-Plattformen deponiert – noch ein Jahr zuvor waren es erst 3,5 Milliarden Dollar gewesen.

Anlegern, die den technisch nicht ganz einfachen Einstieg in die DeFi-Welt geschafft haben, bietet sich eine Vielzahl an Möglichkeiten, auf ihrem Kapital Renditen zu erzielen. Zu den gängigsten Anwendungen gehört es, Kryptowährungen gegen Gebühren respektive Zinsen in sogenannten «Pools» zur Verfügung zu stellen – etwa für den Währungstausch auf automatisierten Handelsplattformen wie Uniswap oder für die Kreditvergabe auf Geldmarktplattformen wie Aave oder Compound.

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Bitcoin ist die mit Abstand populärste Kryptowährung. (Symbolbild) - AFP/Archiv

«DeFi-Anwendungen haben dank ‹Distributed Ledger-Technologie› einen smarten Weg gefunden, Dienstleistungen der traditionellen Finanzwelt ohne Intermediäre zu erbringen», sagt Thomas Eichenberger, Geschäftsleitungsmitglied bei der Zürcher Kryptobank Sygnum. Statt das Geld auf die Bank zu bringen, eröffne beispielsweise die Einlage in einen dezentralen «Lending Pool» den direkten Zugang zu interessierten Kreditnehmern: «Dementsprechend kann für den Einleger, welcher direkt als Kreditgeber agiert, eine höhere Rendite erzielt werden.»

Regulierungsbehörden noch zurückhaltend

Die oft experimentellen DeFi-Anwendungen sind allerdings nicht ohne Risiken. Viele sind komplex und schwierig durchschaubar. Fehlerhaft konzipierte aber auch klar betrügerische Projekte führen denn auch immer wieder zu millionenschweren Verlusten für Anleger.

Mit dem US-Milliardär Mark Cuban traf es im Juni selbst einen erfahrenen und prominenten Krypto-Investor: Er verlor seinen gesamten Einsatz in ein – mangelhaft durchdachtes – «Stablecoin»-Projekt namens «Iron Finance». Selbst der als überzeugter «Libertärer» geltende Cuban rief in der Folge nach Regulierungen.

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Die Kryptowährung: Das digitale Geld. (Symbolbild) - Keystone

Die Regulierungsbehörden weltweit geben sich allerdings noch zurückhaltend zum Thema DeFi. Auch die Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma sieht derzeit offenbar keinen Bedarf für spezielle Regulierungen in diesem Bereich: Die Finma verfolge einen «technologieneutralen Ansatz», betont ein Sprecher auf AWP-Anfrage lediglich. «Angebote im Rahmen von DeFi zählen auch dazu und werden nach denselben Grundsätzen behandelt.»

Gerade die regulatorische Ungewissheit dürfte viele institutionelle Anleger noch davon abhalten, von den potenziell attraktiven Renditen in DeFi zu profitieren. Das ist auch den Betreibern der DeFi-Plattformen nicht entgangen: So haben etwa die Kreditplattformen Compound und Aave spezielle «regulationskonforme» Angebote für das finanzkräftige Anlegersegment angekündigt: Aave will etwa separierte «Pools» ausschliesslich mit Liquidität von Benutzern schaffen, welche «Know Your Customer»-(KYC)-Verfahren durchlaufen haben.

DeFi erhält Aufmerksamkeit

Klare Chancen für ihre institutionellen Kunden mit DeFi sehen auch die «Kryptobanker» von Sygnum, die bereits entsprechende Angebote angekündigt haben. Diese würden benutzerfreundlich und vollumfänglich mit dem Regulator abgestimmt sein, stellt Eichenberger in Aussicht. «Wir wollen schrittweise ein Portfolio an renditegenerierenden Produkten lancieren, die sich DeFi zunutze machen.»

Auch die «traditionellen» Finanzunternehmen sind mittlerweile auf DeFi aufmerksam geworden, wie Bemerkungen etwa der Chefs von Vontobel oder Julius Bär an Mediengesprächen zeigen. Sein Institut wolle mit der Technologie experimentieren, um «umständliche Bankprodukte zu ersetzen», erklärte etwa Bär-CEO Philipp Rickenbacher unlängst. «Die Möglichkeiten von DeFi und Programmable Finance bieten mittel- und langfristig grosse Möglichkeiten.»

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