Ökonomen vermuten, dass sich das Bruttoinlandprodukt im dritten Quartal stark erholt hat. Der neue WWA-Index hilft bei der Vorhersage.
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Der Schweizer Wirtschaft steht ein schwieriges 2023 bevor. (Archiv) - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Im zweiten Jahresquartal stürzten die BIP-Zahlen Corona-bedingt massiv ab.
  • Im dritten Quartal dürfte sich das Bruttoinlandprodukt bereits stark erholt haben.
  • Zur Überprüfung der Wirtschaftsaktivitäten haben Ökonomen einen neuen Index geschaffen.

Die am Dienstag anstehenden BIP-Zahlen für das dritte Quartal werden gegenüber dem sehr schwachen Vorquartal eine starke Erholung zeigen. Das Niveau des Vorjahres dürfte allerdings noch nicht erreicht sein. Zudem droht wegen der zweiten Corona-Welle bereits im laufenden vierten Quartal wieder eine deutliche Verlangsamung.

Für das dritte Quartal wird gegenüber der Vorperiode ein Wachstum des realen Bruttoinlandsproduktes (BIP) zwischen 5,0 und 7,0 Prozent erwartet. So schätzen die von AWP befragten Ökonomen ein. Das dritte Quartal umfasst die Periode von Juli bis September.

BIP-Prognose durch Corona-Krise erschwert

Nach dem Absturz um 7,3 Prozent im zweiten Jahresviertel bedeutet das, dass das Niveau des Vorjahres nicht erreicht wird. Die Schätzungen der Ökonomen lassen gegenüber der entsprechenden Vorjahresperiode noch einen Rückgang um 2,3 bis 4,1 Prozent erwarten.

R-Wert
Strenge Kontaktverbote senken den R-Wert von allen nicht-pharmazeutische Interventionen am meisten (Symbolbild) - Keystone

Mit dem Aufkommen der Corona-Pandemie ist das Handwerk der BIP-Prognosen zuletzt deutlich schwieriger geworden. Die Geschwindigkeit des Absturzes nach dem Lockdown ist im Vergleich zu früheren Krisen einmalig. Dasselbe gilt aber auch für das Tempo der darauf folgenden Erholung.

Ökonomen entwerfen neuen Index

Das Problem für die Konjunkturanalyse ist, dass viele Konjunkturindikatoren nur monatlich oder sogar quartalsweise erhoben werden. Zudem werden sie mit Verzögerung publiziert. Dem haben die Ökonomen des Staatssekretariates für Wirtschaft (Seco) vor kurzem abgeholfen. Sie haben einen neuen Index zur Berechnung der wöchentlichen Wirtschaftsaktivität, den sogenannten WWA-Index, geschaffen.

Staatssekretariat für Wirtschaft Seco
Das Staatssekretariat für Wirtschaft Seco. - Keystone

Dieser wird mit Tages- und Wochenindikatoren berechnet, die laut Seco mehr oder weniger mit dem BIP oder dessen Komponenten korrelieren. Er berücksichtigt täglich vorhandene Daten zu Bargeldbezügen und Kreditkartentransaktionen. Aber auch Elektrizitätsverbrauch, Eisenbahngüterverkehr oder Luftverschmutzungen werden einberechnet. Dazu kommen wöchentlich verfügbare Daten etwa zu den Sichteinlagen bei der SNB oder den Aussenhandelsdaten.

Index gibt Hinweis auf BIP-Veränderung

Diese Daten werden dann im WWA zusammengefasst und wöchentlich publiziert, wobei der Durchschnitt über 13 Wochen einem Quartal entspricht. Das Seco hat den Index so skaliert, dass dieser Durchschnitt einen Hinweis auf die BIP-Veränderung im Vergleich zum Vorjahresquartal entspricht.

Bruttoinlandprodukt
Das Bruttoinlandsprodukt könnte wieder ansteigen. - AFP

Die Bundesökonomen haben vor zehn Tagen, als sie den Index der Öffentlichkeit vorstellten, auch die WWA-Daten zum dritten Quartal berechnet. Der Index impliziert demnach ein BIP-Wachstum gegenüber dem zweiten Quartal von 6,9 Prozent. Beziehungsweise einen Rückgang um 2,8 Prozent gegenüber dem dritten Quartal 2019. Diese Zahlen liegen also im Rahmen der oben genannten Schätzungen von Ökonomen.

WWA zeigt steigende Tendenz

Allerdings sollte – wie das Seco betont – der WWA nicht als wöchentliche BIP-Berechnung verstanden werden. Er unterscheide sich methodisch und definitorisch stark von dieser und decke auch nicht alle Wirtschaftsbereiche exakt ab.

Milliarden Ausland
Der Handel ist zurück auf einem moderaten Aufholkurs. - Keystone

Auch wenn der WWA keine exakte BIP-Berechnung darstellt, dürfte er die Richtung und das Tempo der Entwicklung recht gut aufzeigen. Es lassen sich damit auch bereits erste Schlüsse auf das BIP des vierten Quartals ziehen. Und diese malen trotz zweiter Corona-Welle zumindest kein allzu schwarzes Bild.

Der Index tendiert nämlich seit ein paar Wochen mehr oder weniger seitwärts und notierte zuletzt in Woche 46 (per 18.10) bei -1,70. Dies verglichen mit dem Tiefstwert in Woche 16 bei -10,10 Zählern.

Zweite Corona-Welle beeinflusst BIP nur leicht

Die ZKB schreibt denn auch in ihrer neuesten Konjunkturanalyse: «Obwohl der Bundesrat Ende Oktober landesweit neue Einschränkungen wie eine erweiterte Maskenpflicht und Personenobergrenzen für Veranstaltungen verordnete und verschiedene Kantone zudem noch restriktiver vorgingen, zeichnet sich kein einschneidender Einbruch der Wirtschaftsaktivität ab.»

Alain Berset
Alain Berset informiert über die neuen Massnahmen gegen das Coronavirus. - Keystone

Der Aufholprozess sei zwar zumindest zum Stillstand gekommen, meint man bei Raiffeisen. Die Delle im vierten Quartal werde aber wohl sehr viel weniger drastisch als im Frühjahr ausfallen. Zudem sei sie weniger stark ausgeprägt als in den Nachbarländern, wie deren vergleichbare Aktivitätsindikatoren andeuten würden.

Die Experten der Swiss Life etwa schätzen für das vierte Quartal hierzulande einen «leichten vorübergehenden» BIP-Rückgang um 0,5 Prozent. Ähnlich sehen es diejenigen der Credit Suisse, die ebenfalls einen Rückgang in der laufenden Periode in dieser Grössenordnung prognostizieren. Beide betonen dabei ebenfalls, dass die aktuellen Auswirkungen auf die Konjunktur viel weniger gross seien als im Frühling.

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