Alpenpflanzen weichen in die Höhe aus, um den hohen Temperaturen zu entweichen. Doch sie erschliessen neue Lebensräume verspätet. Das kann schwere Folgen haben.
Um den steigenden Temperaturen zu entkommen, müssen Bergpflanzen wie der Enzian in höhere, kältere Gebiete wandern. (Bild: Pixabay/mkolli)
Um den steigenden Temperaturen zu entkommen, müssen Bergpflanzen wie der Enzian in höhere, kältere Gebiete wandern. (Bild: Pixabay/mkolli) - Community
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Das Wichtigste in Kürze

  • Weil das Klima wärmer wird, wandern Alpenpflanzen in höhere, kältere Lagen ab.
  • Aber die Wanderung in die Höhe findet bei vielen Pflanzenarten verspätet statt – das nennt sich «Aussterbeschuld».
  • Deshalb werden wir erst in ein paar Jahren sehen, welche Folgen die heutige Klimaerwärmung auf die Bergfauna hat.

Die Erde wird wärmer. Für Pflanzen in den Bergen kann das problematisch sein, denn Enzian, Fingerkraut und Edelweiss haben sich an die eher kühlen alpinen Bedingungen angepasst. Wenn es wärmer wird, müssen die Pflanzen-Spezies in die Höhe abwandern, wo es kälter ist. Wie schnell sie das aber tun, ist noch umstritten.

Dass die Erderwärmung viel schneller von statten geht, als die Blumen, Gräser und Kräuter sich anpassen können, zeigt nun eine Untersuchung der Universität Wien und der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL. Die Studie ist im Wissenschaftsmagazin Nature Communications veröffentlicht worden.

In Österreich, Deutschland, Italien, Slowenien und der Schweiz haben die Forschenden 135 verschiedene Pflanzenarten der Alpen untersucht. Auf über 1500 Untersuchungsflächen haben sie die Flora im Jahr 2014/15 mit jener von 1970 verglichen.

Nur 7 Prozent passen sich ohne Verzögerung an

«Sechzig Prozent der Arten sind noch auf Flächen zu finden, die ihnen klimatisch nicht mehr zusagen, 38 Prozent haben nicht alle Flächen besiedelt, die inzwischen ein geeignetes Klima bieten würden, und nur für 7 Prozent haben wir keine Indizien für Verzögerungen in die eine oder in die andere Richtung beobachtet», fasst Studienautorin Sabine Rumpf vom Department für Botanik und Biodiversitätsforschung der Universität Wien die Ergebnisse in einer Medienmitteilung zusammen.

Von den untersuchten Alpenpflanzen «hinken» also 93 Prozent dem Klimawandel hinterher. Im Fachjargon nennt sich dies «Aussterbeschuld». Das heisst: Sie wachsen weiter am selben Ort, auch wenn es dort eigentlich zu warm geworden ist.

Für das Überleben der Spezies wäre der Aufstieg in höhere Gefilde aber wichtig. Denn: Passen sie sich zu spät an, könnten die Arten in einigen Jahren aussterben. Die Folgen der heutigen Klimaerwärmung auf die Bergblumen und -kräuter werden sich also erst in einigen Jahren entfalten.

Höchst gelegene Pflanzen am gefährdetsten

Am gefährdetsten sind die Arten, die in den höchst gelegenen Gebieten leben, denn sie haben die wenigsten Möglichkeiten, noch weiter hoch zu klettern. Da die Konsequenzen verzögert aufträten, bestünde die Gefahr, dass der Mensch diese unterschätze, schreibt Studienautor Stefan Dullinger.

Statt abzuwandern, könnten sich die Pflanzen aber auch an die neuen klimatischen Bedingungen anpassen. Inwieweit die untersuchten Pflanzen dazu fähig sind, wurde in der Studie nicht untersucht.

Doch die Studienautoren räumen in ihrer Mitteilung ein: «Diese Chance werden Pflanzen aber nur nutzen können, wenn es uns gelingt, die Klimaerwärmung in den Griff zu bekommen und das Klima so bald wie möglich wieder zu stabilisieren». 

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