Auf Social Media geraten sich Hundetrainerinnen in die Haare. Nau.ch klärt auf. Was für und gegen Strafen für Vierbeiner spricht.
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Ein Hund im Kinderwagen – einen Hund aus Prinzip in einem Wagen zu transportieren oder gar aus ästhetischen Gründen, ist aus Sicht des Schweizer Tierschutz STS klar abzulehnen»,. - Nau.ch

Das Wichtigste in Kürze

  • Eine deutsche Hundeschule stellt sich online gegen positives Hundetraining.
  • Eine Emmentaler Hundetrainerin bekräftigt: Eine gewaltfreie Erziehung sei «nicht möglich».
  • Eine Luzerner Kollegin entgegnet: Strafen seien gar kontraproduktiv.
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Verhätscheln Herrchen und Frauchen ihre Liebsten zu fest?

Ein Nau.ch-Bild vom Bahnhof zeigt einen Vierbeiner im Kinderwagen. In mehrere Decken gehüllt, sitzt der Hund auf allen vieren.

Der Schweizer Tierschutz verweist auf Anfrage, dass dies verboten sei. Herumkutschieren könne nicht die laut Tierschutzverordnung verpflichtenden Spaziergänge im Freien ersetzen.

Nur bei Krankheit sollen die Tiere «gewägelet» werden. Dann aber bitte in einem hundegerechten Transportmittel.

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Auf Facebook regt sich eine deutsche Hundetrainerin über das positive Training ab. - Screenshot Facebook/Hundeschule Hundesache

Auch Facebook staunt über angeblich verhätschelte Hunde. Dort sorgt gerade eine Diskussion über das sogenannte «positive Hundetraining» für Furore. Dabei geht es – vereinfacht gesagt – um einen anti-autoritären Erziehungsstil für Hunde. Ganz ohne Strafen.

Angestossen hat die Debatte eine Hundetrainerin aus Deutschland – und nennt ein Beispiel aus ihrem Alltag: «Da verbeisst sich der Goldie-Welpe in die Haare der Kinder. Und das Frauchen steht mit dem Leckerchen daneben, um das ‹Aus› positiv zu belegen.»

Auch körperliche Strafen mitunter legitim

Auch in der Schweiz gibt es Kritikerinnen am rein positiven Hundetraining. Darunter Nadja Herren vom Emmentaler Verein «BringUPaw Special Home». Sie stellt eine Zunahme schlecht erzogener Hunde fest.

Gegenüber Nau.ch erklärt sie, dass eine Gesellschaft nie ganz ohne Strafen auskomme. «Auch bei Hunden nicht.»

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Nadja Herren ist Präsidentin von «BringUPaw Special Home». - zvg/doggstar.ch

Wie Kinder sollen Hunde so erzogen werden, dass sie sich gut entwickelten und nicht auf die schiefe Bahn gerieten. Dafür seien auch Strafen unabdingbar, sagt Herren, die eine autoritative Hundeerziehung befürwortet.

«Für den einen Hund ist ein klares ‹Nein› oder ein strenger Blick seines Menschen Strafe genug. Und für den anderen braucht es situativ vielleicht auch eine körperliche Korrektur – eine körperliche Strafe», sagt sie.

Jede Strafe sei – genauso wie jede Belohnung – individuell. «Grundsätzlich sollten Strafen angemessen und fair sein und sich natürlich im legalen Bereich bewegen. Wie es das bei uns Menschen ja auch sein sollte.»

Sollten Hunde bestraft werden, wenn sie sich nicht passend verhalten?

Nadja Herren stellt klar, dass «Gewalt» in einem «schädigenden» Sinn in der Hundeerziehung nichts verloren habe. Ganz anders «Gewalt» in einem «pädagogischen» und «schützenden» Sinn.

Sie macht ein Beispiel: «Wenn ein Auto angerauscht kommt, will ich verhindern, dass der Hund überfahren wird. Also halte ich ihn fest oder stosse ihn weg. Genau das ist schützende Gewalt.» Eine gewaltfreie Erziehung hält sie deshalb für «schlicht nicht möglich».

Positives Hundetraining will Stress reduzieren

Was sagen die Vertreterinnen des positiven Hundetrainings zur Kritik? Julia Züsli, die in Luzern die Hundeschule «Dog’s Voice» betreibt, erklärt bei Nau.ch ihre Beweggründe.

«Als ich als Kind mit Hunden aufgewachsen bin, waren Strafen normal. Ich habe das damals nicht wirklich hinterfragt», erinnert sie sich.

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Julia Züsli, mit ihrem Wegbegleiter Lumos, führt die Hundeschule «Dog's Voice» in Luzern. - zvg

Erst mit der Ausbildung zur Hundetrainerin veränderte sich ihre Sicht. «Versteht ein Tier unser Konzept von richtig und falsch wirklich? Die Erkenntnisse über hundliches Verhalten, Lerntheorie und Emotionen haben mir die Augen geöffnet.»

Heute ist Züsli vom positiven Hundetraining überzeugt. «Strafen lösen beim Hund Stress und Angst aus. Er stellt sein Verhalten nur ein, um den unangenehmen Konsequenzen zu entkommen.»

Das sei kontraproduktiv. Denn: «Der Stress kann zu Lernblockaden führen.» Und: «Die Bedürfnisse des Hundes werden nicht berücksichtigt, sondern nur das Verhalten gehemmt. Das bringt Nebenwirkungen mit sich.»

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Die Anzahl Hundebisse hat in den vergangenen Jahren zugenommen. (Archivbild)
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Das hänge vor allem mit dem Bevölkerungswachstum zusammen, ist eine Expertin sicher. (Archivbild)
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Klar ist aber: «Die Besitzer haben die Verantwortung.»
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Sie findet, dass mehr Hunde in Situationen, in denen sie wild würden, einen Maulkorb tragen sollten. (Archivbild)
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Aber: «Viele Halter haben Angst, verurteilt zu werden.» Sie sorgten sich, zu streng zu wirken. (Archivbild)
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Dabei seien weder kurze Leine noch Maulkorb für Hunde ein Problem, wenn es ihnen ordentlich antrainiert werde. (Archivbild)

Genau hier setze das positive Training an: «Es geht darum, Hunden in stressarmer Umgebung erwünschte Alternativen beizubringen. Wir Halterinnen und Halter sollten darüber nachdenken, warum unser Hund überfordert ist und wie wir ihn unterstützen können.»

Hunden müssen Grenzen gesetzt werden, aber ...

Auch im positiven Training seien Grenzen wichtig. «Grenzen schaffen Sicherheit! Sie sind notwendig für unser Zusammenleben. Dafür braucht es aber keine ängstigenden Methoden.»

Für den Fall, dass es doch brenzlig wird, könne beispielsweise ein positiv erlerntes Abbruchsignal wie «Stopp» Abhilfe schaffen. «Der Hund reagiert auf das Signal und beendet sein Verhalten. Weil er gelernt hat, was er tun soll und dass es sich lohnt. Die Situation wird nicht negativ verknüpft wie bei einer Strafe

Julia Züsli ist sich bewusst, dass beim positiven Hundetraining Ergebnisse oft nicht so schnell sichtbar werden wie bei Strafen. «Dafür ist es nachhaltiger, da wir bei den Ursachen und nicht bei den Symptomen ansetzen», erklärt sie.

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