«Mit diesem Abstimmungsresultat zum Stromgesetz ist klar, dass es ein Zurück zum nuklearen Realismus braucht», findet Nau.ch-Kolumnist Hans-Ulrich Bigler.
Hans-Ulrich Bigler
Hans-Ulrich Bigler schreibt für Nau.ch regelmässig Kolumnen. - Nau.ch/Simone Imhof

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Schweiz hat sich deutlich für den Ausbau erneuerbarer Energien ausgesprochen.
  • Eine Kolumne von alt-Nationralrat Hans-Ulrich Bigler.
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Mit grossem Mehr wurde gestern Sonntag das neue Stromgesetz angenommen. Ein Erfolg für Bundesrat Albert Rösti.

Möglich ist nun der Ausbau von Wasserkraft und die Förderung erneuerbarer Energien. Das ist gut so, wenn wir die Energiestrategie bis 2050 tatsächlich umsetzen und die gesteckten Ziele erreichen wollen.

Energieminister Albert Rösti nimmt Stellung zu Atom-Strom, Widerstand der Gemeinden und seinem Status als SVP-Bundesrat nach dem deutlichen Ja zum Stromgesetz. - Nau.ch

Klar ist mit diesem Abstimmungsresultat aber ebenso, dass es ein Zurück zum nuklearen Realismus braucht.

Doch beginnen wir zunächst mit Rafael Mariano Grossi, dem Generaldirektor der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) mit Sitz in Wien. In den internationalen Medien fand er nicht zuletzt aufgrund seines Einsatzes im Krisengebiet der Ukraine in den letzten Jahren viel Beachtung. Grossi trat auf Einladung des Nuklearforums Schweiz Ende Mai an dessen Generalversammlung auf.

Der Generaldirektor ging auf die jüngsten Entwicklungen in der Kernenergie ein. Die Klimakonferenz in Dubai markiere hierbei einen wichtigen Wendepunkt.

Der Abschlussbericht der Weltklimakonferenz anerkennt zum ersten Mal die Kernenergie als eine der Lösungen zur Bekämpfung der globalen Erwärmung. Die Kernenergie liefert bereits 50 Prozent des sauberen Stroms in Europa und 25 bis 27 Prozent weltweit.

Bemerkenswert ebenso seine Forderung nach gleich langen Spiessen wie Erneuerbare.

Laut Grossi habe die Kernenergie nach wie vor Schwierigkeiten bei der Finanzierung. Es sei deshalb dringend erforderlich, dass die Entwicklungsbanken ihre Zurückhaltung gegenüber der Kernenergie aufgeben.

Mariano Grossi
Rafael Mariano Grossi, Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA). - Michael Sohn/AP-Pool/dpa

Dieser Aspekt stand im Mittelpunkt des ersten Weltgipfels für Kernenergie in Brüssel im März dieses Jahres. Mehr als dreissig Staatsoberhäupter aus der ganzen Welt haben sich dort verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die Kernenergie punkto Finanzierung ähnliche Bedingungen wie erneuerbare Energien erfährt.

Und damit zurück zum neuen Stromgesetz. Wer sich dafür starkgemacht hat, hat unermüdlich und zu Recht auf die hochgesteckten Zielsetzungen der Energiestrategie 2025 hingewiesen. Ohne diese Vorlage seien diese nicht erreichbar.

Wir brauchen alle kohlenstoffarmen Energien

Mit dieser Aussage darf allerdings nicht die halbe Wahrheit verschwiegen werden.

Wem es fern ab der Ideologie ernst damit ist, die klimapolitischen Herausforderungen zu meistern, der muss sich zunächst für Technologieneutralität starkmachen.

Im Klartext: Für die Bekämpfung des Klimawandels brauchen wir alle kohlenstoffarmen Energien. Und das bedeutet eben auch den Einbezug der Nukleartechnologie.

Zweifellos muss das Urnenergebnis auch als Wunsch der Bevölkerung zur Versorgungssicherheit im Strombereich gedeutet werden. Und genau hier liegt der Hund begraben.

Auch wenn der Ausbau der Wasserkraft nun beschlossene Sache ist, so sicher ist er noch lange nicht.

Bereits haben sich mehrere Umweltverbände in Stellung gebracht. Ziel: Verhinderung der Projekte aus Gründen des Landschaftsschutzes. Positiv formuliert könnte es also noch ein paar Jahre dauern, bis der gesamte Instanzenweg unter Umständen bis hin zum Bundesgericht absolviert ist.

Befürwortest du den Ausbau der erneuerbaren Energien?

Nicht besser sieht es bei der Solar- und Windenergie aus. Dass eine generelle Solarpflicht bei Privaten politisch Erfolg haben soll, darf zumindest bezweifelt werden. Beim Wind wird auf kommunaler Ebene regelmässig Einspruch erhoben, wenn es um die Konkretisierung von neuen Projekten geht.

Vor diesem Hintergrund wird offensichtlich, dass es mit Wasser und Erneuerbaren Energien alleine nicht gehen wird. Wer namentlich keine Gaskraftwerke als Rückversicherung zur Versorgungssicherheit will, kommt um die nukleare Stromversorgung nicht umhin.

Dazu noch einmal Grossi. Zunächst machte er deutlich, dass die Schweiz eine besondere Rolle für den Nuklearsektor spiele und grosses Potenzial in dem Bereich habe.

Er hob die zentrale Rolle unseres Landes in den aktuellen globalen Energie- und Nukleardebatten hervor. «Die Schweiz ist ein Land mit enormem Know-how und grosser Erfahrung im Nuklearsektor», sagte er.

Sicherstellung der verlängerten Kernkraftwerke-Lebensdauer

Wenig erstaunlich, dass er die Schweiz ermutigte, dieses Wissen und diese Erfahrung in den weltweit sichtbaren Trend zur verstärkten Nutzung der Kernenergie einzubringen.

Im Rahmen der politischen Diskussion bedeutet dies zunächst die Sicherstellung der verlängerten Lebensdauer unserer Kernkraftwerke. Im Weiteren ist unser Wissen und unsere Erfahrung in den weltweit sichtbaren Trend zur verstärkten Nutzung der Kernenergie einzubringen. Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang an die herausragende Stellung des Paul Scherrer Instituts auf internationaler Ebene.

In einer zweiten Phase wird zudem bald einmal die Diskussion um die Aufhebung des Neubauverbots von Kernkraftanlagen eröffnet.

Im Raum steht die Initiative «Jederzeit Strom für alle (Blackout stoppen)», die genau dies fordert sowie ein möglicher Gegenvorschlag des Bundesrates.

Es wäre jedenfalls seltsam, wenn die Schweiz nicht von dieser globalen Welle der Kernenergie und dem damit verbundenen nuklearen Realismus profitieren würde.

Die Schweizer Kernkraftwerke stehen nämlich für nichts anderes als die Langlebigkeit und Zuverlässigkeit der Kernenergie und damit für Versorgungssicherheit.

Zur Person: Hans-Ulrich Bigler ist Ökonom und war von 2008 bis 2023 Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands (SGV). Er ist im Vorstand mehrerer Verbände, darunter auch das Nuklearforum Schweiz, und sass von 2015 bis 2019 für die FDP im Nationalrat. Heute ist Bigler SVP-Mitglied.

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