In der Schweiz erhalten jedes Jahr rund 350 Kinder eine Krebsdiagnose. Viele können geheilt werden, das hat aber seinen Preis. Ein Gastbeitrag.
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Die neue Kampagne von Kinderkrebs Schweiz dreht sich um Survivors. - zVg

Das Wichtigste in Kürze

  • Rund 80 Prozent der Kinderkrebs-Survivors kämpfen mit Folgen der Krankheit und Therapie.
  • Diese können die beruflichen Perspektiven beeinträchtigen, wie dieser Gastbeitrag zeigt.
  • Es fehlt an Informationen sowie gezielten Unterstützungsmassnahmen.
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Die Suche nach einer Lehrstelle, die Wahl eines Studiums und der erfolgreiche Einstieg ins Berufsleben sind für junge Menschen grundlegende Schritte, um am sozialen und wirtschaftlichen Leben teilnehmen zu können.

Als Kind oder Jugendlicher in den entscheidenden Jahren der körperlichen und psychologischen Entwicklung von einer lebensbedrohlichen Krankheit wie Kinderkrebs betroffen zu sein, kann jedoch physische und psychische Spuren hinterlassen, die eine Eingliederung in die Arbeitswelt nicht immer einfach machen.

So haben Kinderkrebs-Survivors aufgrund ihrer Spätfolgen ein erhöhtes Risiko, mit Schwierigkeiten im Berufsleben konfrontiert zu sein, wobei Kinder und Jugendliche mit einem Hirntumor besonders gefährdet sind.

Herausforderungen in der Ausbildung und im Beruf

Während es Survivors mit keinen oder geringen Spätfolgen gut gelingt, einen passenden Ausbildungsweg zu finden und erfolgreich in die Arbeitswelt einzusteigen, sind die Hürden für Survivors mit Beeinträchtigungen ungleich grösser. Einige finden keine passende Lehre oder sind gezwungen, ihre Ausbildung abzubrechen.

Andere wiederum steigen von sich aus mit einem reduzierten Pensum in den Beruf ein, weil mehr für sie nicht möglich ist. Häufig genannte Gründe hierfür sind körperliche Einschränkungen, Chronische Fatigue, Konzentrationsschwierigkeiten, psychosoziale Probleme und eine geringere Belastbarkeit.

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Die neue Kampagne von Kinderkrebs Schweiz. - zVg

Auch wenn den meisten der Einstieg ins Berufsleben erfreulicherweise gelingt, zeigt die Erfahrung, dass ein Einbruch auch erst viele Jahre später kommen kann. Manche stehen schon mitten im Berufsleben, haben vielleicht eine Familie gegründet, und plötzlich lässt die Leistungsfähigkeit nach.

Das kann dazu führen, dass ein bereits reduziertes Arbeitspensum weiter verringert werden muss oder eine Erwerbstätigkeit gar nicht mehr möglich ist. Wenn die gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht frühzeitig bei der Invalidenversicherung (IV) angemeldet wurden oder eine Teilrente zur Existenzsicherung nicht ausreicht, können Betroffene in eine finanzielle und persönliche Notsituation geraten.

Die Frage der beruflichen Perspektiven

In der Schweiz leben aktuell über 7000 Menschen, die in ihrer Kindheit oder Jugend eine Krebserkrankung überlebt haben. Aufgrund der hohen Heilungsraten wird diese Zahl in Zukunft sehr wahrscheinlich steigen. Das bedeutet auch, dass eine wachsende Anzahl von jungen Survivors auf der Suche nach passenden Ausbildungs- und Berufsmöglichkeiten ist, die sie befähigen, ein unabhängiges und selbstbestimmtes Leben zu führen.

Betroffene und ihre Eltern beklagen jedoch häufig ein grosses Informationsdefizit hinsichtlich der vorhandenen Unterstützungsmöglichkeiten und der Fragen im Zusammenhang mit der Invalidenversicherung. Insbesondere bei Survivors mit Beeinträchtigungen ist der Wunsch nach spezifischen Unterstützungs- sowie Begleitmassnahmen bei der Entwicklung beruflicher Perspektiven und der Eingliederung in den Arbeitsmarkt gross.

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Auf der anderen Seite tendieren Arbeitgeber dazu, Bewerbern ohne Leistungseinschränkungen den Vorzug zu geben, weil sie sonst Nachteile für ihr Unternehmen befürchten. Auf beiden Seiten herrscht somit viel Unsicherheit.

Zum einen, weil Survivors häufig nicht wissen, wie sie bei einem Vorstellungsgespräch mit ihrer Vorerkrankung umgehen sollen, zum anderen, weil Arbeitgeber oft zu wenig über das Thema Kinderkrebs wissen.

Aus Angst vor Stigmatisierung erwähnen manche Survivors ihre medizinische Vorgeschichte lieber nicht, wenn die Spätfolgen nicht (allzu) sichtbar sind. Dabei wäre es durchaus möglich, die aufgrund ebendieser Krankheit gemachten Erfahrungen und die daraus gewonnenen Kompetenzen wie Resilienz, Zielstrebigkeit, Durchhaltevermögen und vieles mehr auch positiv umzuwerten.

Ein professionelles Coaching könnte helfen, die bestehenden Stärken im Sinne eines Mehrwerts für den potenziellen Arbeitgeber hervorzuheben, einer Stigmatisierung entgegenzuwirken und dadurch die Chancen der Betroffenen auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen.

Versorgungslücken bei der beruflichen Integration

Das Schweizer Sozialsystem ist komplex. Oft fühlen sich die Betroffenen überfordert und alleingelassen, wenn Probleme bei der beruflichen Integration auftauchen. Eine präventive, juristische Beratung und eine umfassende medizinische Abklärung vor Beginn der Ausbildung würden helfen, wichtige sozialversicherungsrechtliche Aspekte zu beachten und Fehlorientierungen in Bezug auf die Berufswahl zu vermeiden.

Eine realistische Einschätzung der eigenen Fähigkeiten und Defizite ist jedoch nur der erste Schritt. Wenn Spätfolgen vorhanden sind, gibt es viele Fragen, die es für Survivors bei einer Berufswahl zu berücksichtigen gilt: Welche beruflichen Möglichkeiten habe ich? Wie belastbar bin ich? Kann ich meinen Berufswunsch trotz der Spätfolgen verwirklichen oder welche Alternativen gibt es? Survivors fallen häufig durch die Maschen des Systems.

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Fast jede Woche stirbt in der Schweiz ein Kind an Krebs. - Kinderkrebs Schweiz

Entweder reicht ihre Leistungsfähigkeit nicht ganz für den ersten Arbeitsmarkt oder sie sind aufgrund ihrer Kapazitäten auf dem zweiten Arbeitsmarkt unterfordert. Um die Betroffenen bei ihrer beruflichen Orientierung besser zu unterstützen, bräuchte es dringend speziell auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Beratungsangebote.

Damit die Integration in die Arbeitswelt auch langfristig gelingt, bedarf es zudem berufsbegleitender Coaching- sowie Rechtsberatungsangebote, wenn aufgrund der Spätfolgen weitere Schwierigkeiten auftauchen und es vielleicht um eine berufliche Neuorientierung geht.

Solche spezifischen Unterstützungsangebote würden dazu beitragen, dass Survivors bessere Chancen erhielten, einen für sie passenden Platz in der Arbeitswelt fänden und dadurch an Eigenständigkeit sowie Lebensqualität gewönnen.

Ein erster Schritt in die richtige Richtung sind die kostenlosen Rechtssprechstunden von Kinderkrebs Schweiz, die Betroffene bei sozialversicherungsrechtlichen und berufsbezogenen Fragen professionell unterstützen.

Mit seiner neuen Sensibilisierungskampagne «Kinderkrebs-Survivors: Zukunftsperspektiven?» macht Kinderkrebs auf die vielfältigen Herausforderungen und Versorgungslücken aufmerksam.

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Infos über «Kinderkrebs Schweiz»: Der Dachverband Kinderkrebs Schweiz wurde 2015 gegründet. Zu seinen Mitgliedern gehören die landesweit grössten Kinderkrebsorganisationen. Im Fokus der Tätigkeiten steht der gemeinsame Kampf gegen Krebs bei Kindern und Jugendlichen mit dem Ziel, die Situation der Betroffenen in der ganzen Schweiz zu verbessern. Mehr Informationen gibt es unter kinderkrebs-schweiz.ch Sie können dort auch spenden.

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