Die «Umweltverantwortungsinitiave» soll den ökologischen Fussabdruck der Schweiz senken. Wieso das nicht klappen wird, erklärt Alexander Keberle im Gastbeitrag.
alexander keberle
Alexander Keberle ist Leiter Umwelt, Energie und Infrastruktur bei economiesuisse und ist Gastautor für Nau.ch. - zVg

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Jungen Grünen fordern, dass die Schweiz innerhalb der planetaren Grenzen leben muss.
  • Jetzt soll das Schweizer Parlament über die «Umweltverantwortungsinitiative» abstimmen.
  • Nau.ch-Gastautor Alexander Keberle von economiesuisse sieht das Ziel zu hoch gesteckt.
Ad

Die Jungen Grünen haben die «Umweltverantwortungsinitiative» lanciert. Sie fordert, dass die Schweiz bis in 10 Jahren innerhalb der planetaren Grenzen leben muss. Das heisst, dass Schweizer Bevölkerung und Unternehmen ihren Ressourcenverbrauch soweit reduzieren müssten, dass alle Menschen auf der Welt gleich viel Ressourcen wie sie verbrauchen könnten, ohne den Planeten zu überbeanspruchen.

Ein effizienter Ressourcenverbrauch ist Zeichen von Wohlstand und Fortschritt. Aber ein extrem tiefer Ressourcenverbrauch, wie die Initiative ihn fordert, ist vor allem Zeichen von extremer Armut. Aktuell haben 15 Länder einen planetaren Fussabdruck von unter einer Erde und sind damit mit der Initiative kompatibel.

In der Liste findet man vor allem Länder wie Afghanistan, Haiti und Madagaskar. Diese Länder leben nicht innerhalb der Planetaren Grenzen, weil sie Vorreiter der Nachhaltigkeit sind, sondern weil sie in einer prekären Lage sind: Afghanistan ist nach Jahrzehnten Krieg von den Taliban beherrscht, Haiti erleidet einen fast totalen Staatskollaps (der Premierminister ist kürzlich aus dem Land geflüchtet) und Madagaskar hat eine der höchsten Armutsquoten der Welt. Mit einem nüchternen Blick muss man feststellen: Es ist nicht möglich, die Initiative umzusetzen, ohne eine regelrechte Dekonstruktion des Schweizer Wohlstands vorzunehmen.

Natürlich sollte die Schweiz ihren planetaren Fussabdruck weiter reduzieren – das ist ein Zeichen von Fortschritt und Stärke. Sie muss sich dabei aber nicht gleich selbst zum Entwicklungsland machen. Im Vergleich zu den Ländern, welche die planetaren Grenzen einhalten, hat die Schweiz im Durchschnitt über 80-mal mehr Wirtschaftsleistung pro Kopf. Ihr ökologischer Fussabdruck beträgt jedoch bereits heute nur etwa das Fünffache. Wachstum und Umweltbelastung entkoppeln sich.

Fortschritt und Innovation bringen uns weiter

Beispielweise hat die Schweiz ihre industrielle Wertschöpfung seit 1990 mehr als verdoppelt und dabei die Emissionen um fast die Hälfte gesenkt. Durch Fortschritt und Innovation werden wir immer näher an die planetaren Grenzen rücken und damit eine Vorbild-Funktion übernehmen. Aber wir können diese Entwicklung nicht innert weniger Jahre übers Bein brechen, ohne grosse Rückschritte in Kauf zu nehmen.

Neben der fehlenden Umsetzbarkeit wäre die Initiative auch nicht wünschbar. Zum einen baut sie weitere Luftschlösser auf Kosten echten Fortschritts bei der Nachhaltigkeit. Die Schweiz hat sich ambitionierte Ziele in vielen Bereichen gesetzt und es braucht noch grosse Anstrengungen und neue Massnahmen, sie zu erreichen.

Momentan bleibt aber viel in politischen Sackgassen stecken, man denke nur an den Bereich Klima oder Energie. Leider ist es eine politische Unmode geworden, eine harzige Umsetzung mit noch grösseren Zielen zu übertünchen. Eine Annahme der unrealistischen Umweltverantwortungsinitiative wäre ein Paradebeispiel dafür.

Initiative wäre ökokommunistisch

Zum anderen ist die Initiative auf einem bedenklichen ideologischen Fundament errichtet. Auf den ersten Blick klingt es nur fair: Niemand soll mehr Ressourcen brauchen, wie sie jedem im Schnitt zur Verfügung stehen. Allerdings leben wir nicht in einer Welt, in der alle genau gleich viel Ressourcen verbrauchen – und zumindest ich will das auch nicht. Das wäre – man kann es nicht anders sagen – ökokommunistisch. Wer denkt, ich rühre hier mit zu grosser Kelle an, dem sei ein Blick auf im August letzten Jahres veröffentlichte Positionspapier der Jungen Grünen empfohlen: «Für eine postkapitalistische Wirtschaft».

Vor zwei Jahren habe ich mich auf einen Bergmarathon vorbereitet, wofür ich oft am Morgen vor der Arbeit rennen gehen musste. Wenn ich wirklich keine Lust hatte, habe ich mich nochmals im Bett umgedreht und mir vorgenommen, am nächsten Tag die doppelte Distanz zu laufen. Wie oft das wirklich geklappt hat, sei dahingestellt. Die zuständige Parlamentskommission hat die Umweltverantwortungsinitiative nächste Woche auf dem Programm. Bleibt zu hoffen, dass sie sich für den Weg entscheidet, die vielen bestehenden Herausforderungen anzupacken, statt mit der Umweltverantwortungsinitiative sich nochmals im Bett umzudrehen und von postkapitalistischen Luftschlössern zu träumen.

Zum Autor: Alexander Keberle ist Leiter Umwelt, Energie und Infrastruktur bei economiesuisse und kommt aus Basel. Er ist wohnhaft in Zürich und studierte Law & economics sowie Politikwissenschaften. Keberle ist begeisterter Outdoorsportler und Bergsteiger.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

TalibanEnergieUmweltGrüneArmutKriegErde