Seit zehn Jahren strebt die EU ein Rahmenabkommen an. Jetzt ist der Bundesrat gefragt. Ein Kommentar von FDP-Nationalrat Hans-Ulrich Bigler.
Schweizerischer gewerbeverband sgv
Nationalrat Hans-Ulrich Bigler, FDP ZH, Direktor Schweizerischer Gewerbeverband sgv, wurde am Sonntag nicht wiedergewählt. - zvg

Das Wichtigste in Kürze

  • Seit Dezember liegt ein Vertragsentwurf vor, der Bundesrat muss nun antworten.
  • Schweizer Politiker äussern sich in der Rubrik «Stimmen der Schweiz» dazu.
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Prioritäten setzen

Aus Sicht des Schweizerischen Gewerbeverbandes sgv ist eine Paraphierung nicht dringlich. Der grösste Dachverband der Schweizer Wirtschaft erachtet es als zielführender, die zeitliche Priorität zunächst der Begrenzungsinitiative zuzuweisen. Würde die Begrenzungsinitiative angenommen, erübrigt sich die Frage nach dem Institutionellen Abkommen sowieso. Wird sie abgelehnt, stärkt dies zweifellos die Personenfreizügigkeit.

Die Paraphierung und Umsetzung des Abkommens könnten mit viel weniger Druck angegangen werden. Die Inhalte des Abkommens müssen – wo notwendig – präzisiert werden. Mit der Klärung der offenen Punkte und der Paraphierung soll der Bundesrat auch eine Aus-legung des Abkommens vornehmen und sich diese von der EU bestätigen lassen.

Kritik des sgv

• Gemäss dem Vertragstext ist die Anwendung von Schweizer Recht im Prozess der Streitbeilegung ausgeschlossen. Das ist für den sgv nicht akzeptierbar. Das Schiedsgericht legt den Streit gestützt auf die Auslegung des EuGHs verbindlich bei. Die Schweiz und die EU würden in diesem Prozess nicht mehr auf Augenhöhe agieren. Die Schweiz wäre faktisch gezwungen EU-Rechtsanpassungen zu übernehmen, wenn sie nicht vor Schiedsgericht Einspruch erheben will.

• Die Unionsbürgerrichtlinie regelt den freien Personenverkehr in der EU. Im Vergleich zu den Regelungen im Freizügigkeitsabkommen ist sie bezüglich Sozialhilfe und Niederlassung grosszügiger. Die Hürden für Ausschaffungen liegen höher. Der Ausschluss der Unionsbürgerrichtlinie muss im Institutionellen Rahmenabkommen oder in einem Anhang dazu explizit aufgeführt sein. Andernfalls ist ziemlich sicher damit zu rechnen, dass die EU diese Forderung zu einem späteren Zeitpunkt einbringt.

• Staatliche Beihilfen können Subventionen, Steuererleichterungen oder staatliche Beteiligungen an Unternehmen sein. In den Kantonen sind sie relativ weit verbreitet. Die EU will ein Beihilfe-Verbot mit Ausnahmen. Zwar gibt es keine konkrete Beihilfe-Regelung im Rahmenabkommen. Es gibt aber Grundsätze, die definiert werden. Steuerrulings und gewisse Steuererleichterungen für KMU, die einige Kantone praktizieren, beispielsweise, würden unter die nicht zulässigen Beihilfen fallen. Jegliche staatlichen Beihilfen, die gewisse Unternehmen oder Industrie-zweige – u.a. auch die Tourismusförderung – unterstützen, wären mit den Regeln des Binnenmarktes nicht mehr vereinbar.

Offen für Rahmenabkommen

Aus wirtschaftspolitischen Überlegungen hat der sgv in der Vergangenheit die bilateralen Verträge mit der EU stets unterstützt und tut dies auch weiterhin.

Der sgv unterstützt die Zielsetzung eines weitergehenden Zugangs zum EU-Binnenmarkt sowie Kooperationen mit der EU in ausgewählten Bereichen bei grösstmöglicher Eigenständigkeit und ist deshalb grundsätzlich offen für ein Rahmenabkommen.

Oberstes Ziel muss eine Gesamtschau und eine Abwägung zwischen den Inhalten bzw. Vorteilen des Rahmenpaketes und des Preises der Schweiz – die Einschränkung der eigenen Souveränität – für das Entgegenkommen sein.

Entscheidend ist letztlich der Marktzugang der Schweiz zur EU mit vernünftigen Auflagen durch die EU und zu einem akzeptablen Preis. Zum Vertragstext eines Institutionellen Abkommens wird sich der sgv abschliessend dann äussern, wenn eine definitive Fassung vorliegt.

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