Das Wirtschaftsstrafgericht in Bern beurteilt seit Montag einen dubiosen Deal um vermeintliche Kunstwerke von Weltrang. Auf der Anklagebank sitzen ein Zürcher Milieu-Wirt und ein Berner Geschäftsmann.
Wirtschaftsstrafgericht
Ein Wegweiser zu den Sälen des kantonalen Wirtschaftsstrafgerichtes. - sda - Keystone/PETER KLAUNZER

Das Wichtigste in Kürze

  • Die beiden sollen zahlreiche Investoren um ihr Geld gebracht haben.
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Die Anklageschrift listet seitenweise Zahlungen auf, die gutgläubige Geldgeber den beiden zwischen 2007 und 2016 leisteten. Die Deliktsumme soll rund zehn Millionen Franken betragen.

Der Barbetreiber aus dem berühmt-berüchtigten Zürcher «Chreis Cheib» tischte potenziellen Geldgebern gemäss Anklage «ausschweifende und letztlich nicht überprüfbare Lügengeschichten auf». Auch der Berner Geschäftsmann akquirierte mit diesen Geschichten Investoren.

Die beiden gaben an, von Kunstliebhabern einen echten «Tizian» zu sehr günstigen Konditionen kaufen zu können. Der Kauf stehe unmittelbar bevor. Bald wurde die Geschichte noch mit einem echten «Rembrandt» aufpoliert, den der Wirt auch an der Angel habe. Damit der Deal zu Ende gebracht werden könne, sei der Wirt aber vorübergehend auf das Geld von Investoren angewiesen.

Auf dem internationalen Kunstmark liessen sich die beiden Gemälde zu einem Vielfachen des vom Wirt bezahlten Preises verkaufen. Am Gewinn sollten die Darlehensgeber grosszügig beteiligt werden, lautete das Versprechen.

Doch der angeblich unmittelbar bevorstehende Kauf verzögerte sich - wieder und wieder. Stattdessen wurde der Deal aus immer neuen Gründen teurer und teurer.

Neben dem Wirt gewann insbesondere der Berner Geschäftsmann Investoren für den Deal. Die Geldgeber waren meist in Sachen Kunst nicht eben bewandert.

Er habe im Internet «nach dem Tizian gegoogelt», sagte einer der Geldgeber am Montag vor Gericht. «Das ist das, was man halt tut, wenn man von Kunst keine Ahnung hat». Offenbar zufrieden mit seiner Recherche, unterliess der Mann weitere Abklärungen.

Der Barbetreiber habe durchaus sympathisch auf ihn gewirkt, auch wenn er sonst mit solchen Leuten nichts zu tun habe, berichtete ein anderer Geldgeber. «Wir hatten durchaus sehr gute Gespräche».

Verschiedene Geldgeber konnten in einem Kunstdepot in Zürich tatsächlich auch ein Gemälde besichtigen. Darüber hinaus legte der Wirt Dokumente und Bankauszüge vor, die die Echtheit der Werke und das Gelingen des Deals untermauern sollten.

Doch die beide Bilder waren nicht echt, wie Experten später herausfanden. Im Fall des «Rembrandt» handelte es sich um einen «Nonvaleur», also um ein wertloses Bild. Der «Tizian» stammte ebenfalls nicht von dem italienischen Meister, sondern war bestenfalls in seiner Werkstatt als Kopie erstellt worden. Auch dies kein echter Gegenwert für die gewährten Darlehen.

Das Geld floss denn auch nicht in den Kunstkauf, sondern in eine Bar im Zürcher Ausgehviertel bei der Langstrasse, nach Brasilien zur Freundin des Wirts, oder in Unterhaltszahlungen.

Die Anklageschrift kommt zum Schluss, dass sowohl der Wirt wie auch der Berner Geschäftsmann die Investoren im Unglauben liessen, dass beide hoch verschuldet waren und weder willens noch in der Lage, das Geld zurückzuzahlen.

Der Wirt und der Geschäftsmann haben laut Anklage «eng und wechselseitig miteinander zusammengewirkt» und waren «mindestens konkludent» mit dem Vorgehen des jeweils anderen einverstanden.

Erst allmählich dämmerte es den Geldgebern, dass sie hingehalten würden, wie drei von ihnen am Montag vor Gericht schilderten. Doch manche zahlten noch lange, festhaltend an der Hoffnung, dass aus dem Deal trotz allem noch etwas werden möge.

Der Barbetreiber und der Berner Geschäftsmann müssen sich vor Gericht unter anderem wegen gewerbsmässigen Betrugs und weiterer Straftatbestände verantworten. Der Barbetreiber befindet sich seit 2016 in Haft, der Geschäftsmann wurde wieder auf freien Fuss gesetzt. Der Wirt ist teilweise geständig.

Auf der Anklagebank sitzt ein ungleiches Duo: der raubeinig wirkende Zürcher Milieu-Barbetreiber in Jeans und T-Shirt und der elegant gekleidete Berner mit grauweissem, halblangem Haar. Für beide gilt die Unschuldsvermutung. Sie werden am Dienstag vom Gericht befragt. Das Urteil soll am 29. Mai eröffnet werden.

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