Wohnungsmangel: Immer mehr leben in WGs oder bei Eltern
Laut dem Immobilienbericht müssen immer mehr Menschen bei den Eltern oder in WGs «ausharren». Die Nachfrage nach Wohnungen ist hoch, die Bautätigkeit tief.

Das Wichtigste in Kürze
- Wegen des Wohnungsmangels müssen viele Leute bei ihren Eltern leben.
- Viele Schweizer harren in Wohnungen aus, die nicht mehr den Bedürfnissen entsprechen.
- Gründe für die geringe Bautätigkeit sind die hohen Kosten und die Knappheit an Bauland.
Seit Jahren herrscht in der Schweiz Wohnungsmangel. Und das führt dazu, dass «viele Menschen unzufrieden sind», sagt Fredy Hasenmaile, Chefökonom von Raiffeisen, gegenüber Tamedia. Denn viele wohnen nicht so, wie sie es gerne wollten. Dies geht aus dem Immobilienbericht der zweitgrössten Bank der Schweiz hervor.
Es ist die Rede von «erzwungenen Verhaltensveränderungen der Nachfrager». Konkret bedeutet dies, dass Kinder nicht mehr bei den Eltern ausziehen oder sogar zurückkehren. Zudem müssen viele Menschen in einer WG leben. Auch wird oftmals trotz veränderter Lebenssituation in der bestehenden, den Bedürfnissen nicht mehr entsprechenden Wohnung «ausgeharrt».
Das zeigen auch die Umzugszahlen: Im Jahr 2020 zogen noch 769'000 Personen um. Seither hat sich die Zahl deutlich auf 695'000 reduziert.
Ein weiteres Zeichen dafür, dass der Markt nicht mehr funktioniert, ist die Haushaltsgrösse. So sank die Zahl der Personen, die in einem Haushalt leben, jahrzehntelang. Seit dem Vorjahr aber verharrt sie bei 2,18 Personen, wie das Bundesamt für Statistik mitteilt. Laut Hasenmaile gibt es den Individualisierungstrend eigentlich weiterhin, immer mehr Menschen würden lieber alleine leben.
Die Raiffeisen sieht den Hauptgrund für den Wohnungsmangel in der auch durch die Zuwanderung hohen Nachfrage bei geringer Bautätigkeit. Die Angebotsseite reagiere «äussert träge und kaum auf die Preissignale des Marktes». Wegen gestiegener Baukosten und Zinsen sowie wegen sinkender Verfügbarkeit von Bauland und zusätzlicher Auflagen werde wenig gebaut.
Vor allem in Städten könne nur gebaut werden, wenn alte Gebäude abgerissen würden. Solche Ersatzneubauten haben einige Nachteile im Vergleich zu Neubauten auf grünen Wiesen: Mieter müssen raus und, falls sie danach wieder einziehen wollen, deutlich mehr bezahlen. Denn die neuen Wohnungen sind in der Regel grösser und teurer.
Verdichtung durch Ersatzneubauten «alternativlos»
Zudem entstehen durch Ersatzneubauten zwar neue Wohnungen, dafür werden aber alte abgerissen. Die Raiffeisenbank bezeichnet Verdichtung durch Ersatzneubauten dennoch «alternativlos». Denn pro abgerissene Wohnung entstehen im Schnitt vier neue.
Trotz Mangel gibt es einige freie Wohnungen, 2024 betrug die Leerstandsquote sehr tiefe 1,08 Prozent. Leere Wohnungen bei Knappheit – laut der Raiffeisen ist das normal. Gründe dafür sind, dass sie möglicherweise in strukturschwachen Regionen sind, keinen marktgängigen Preis haben oder eben erst gebaut wurden.
Fredy Hasenmaile rät, die Unzufriedenheit der Menschen in Bezug auf die Wohnsituation ernstzunehmen. Und: «Es ist auch die Rolle eines Ökonomen, zu zeigen, wenn der Markt nicht mehr funktionieren kann.»