Am 23. April feiert Milo Raus «Wilhelm Tell» Premiere im Zürcher Pfauen. An der Medienkonferenz vom Donnerstag verriet der Regisseur einiges und doch nicht viel zum Inhalt. Unter anderem, dass das Stück «zwei, eher vier Stunden» lang werde.
Kurze Interviews mit fiesen Männern
Ein Saal im Zürcher Schauspielhaus Pfauen. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Schon die Presseveranstaltung ist ein Spektakel.

Während die Gäste im Zürcher Zeughaus in der Mitte eines Raumes sitzen, laufen auf einer grossen Leinwand Videos über die Vorarbeit zu Milo Raus «Tell»-Inszenierung.

Zu sehen sind Szenen von einer Demonstration oder Ausschnitte aus Proben. Auf der Bühne unterhalten sich Mitglieder des Ensembles, das aus professionellen wie auch aus Laiendarstellerinnen und -darstellern besteht, mit Milo Rau - zwischen ein paar Äpfeln, einem Gesslerhut und drei Werken der Schweizer Künstlerin Miriam Cahn.

Ziemlich viele Eindrücke und Informationen, die sorgfältig geordnet zumindest den Ansatz einer Ahnung ergeben, was das Publikum in wenigen Wochen auf der Pfauenbühne des Schauspielhauses erwartet.

Abgesehen von der Tatsache, dass Milo Raus Inszenierung auf Schillers «Wilhelm Tell» beruht, und der deutsche Schauspieler Sebastian Rudolph den Gessler in Nazi-Uniform verkörpern wird, dürfte die Freiheit nicht nur inhaltlich sondern auch in Bezug auf die Umsetzung das grosse Thema sein.

«Die Figur des Tell», so Rau, «wird ein bisschen durchgereicht». Das heisst, dass alle möglichen Darstellerinnen und Darsteller einen Teil von ihm spielen werden. Schauspieler Michael Neuenschwander («Spagat»), der den Tell in der Vergangenheit schon gespielt hat, verkörpert diesmal einen «Grüselvogt», wie er Rau zitiert. Er übernehme in dem Stück, das laut Regisseur «zwei, eher vier Stunden» dauern werde, aber auch «ein bisschen Stauffacher» und mache Musik.

Was nach einem Heidenspass klingt, ist aber auch ernst. Milo Rau will mit seinem «Tell» den Zeitgeist abbilden - «Protestierende, Femistin*innen, Trump»istinnen, «Wissenschaftler*innen, Impfgegner*innen, Kapitalismuskritiker*innen», Menschen, die für ihren Begriff von Freiheit auf die Strasse gehen. Tells von heute. Deshalb hat er in den letzten Monaten in der ganzen Schweiz nach Menschen gesucht, die bereit sind, ihre Geschichten erzählen.

Wie Cem Kirmizitoprak, Leiter der Beratungsstelle Inklusion in St. Gallen, der im Rollstuhl sitzt. An der Medienkonferenz sagt er, dass wir alle Menschen sind und dass auch alle Menschen eine Behinderung haben, bloss sei nicht jede davon anerkannt. «Milo Rau will, dass wir Laiendarstellerinnen und Laiendarsteller in unserer Rolle bleiben, deshalb habe ich nicht so Mühe, hier mitzumachen», sagt er.

Mehr Sorgen bereite ihm die Tatsache, dass die Theaterbühne für Menschen wie ihn nur mit einem Speziallift zugänglich sei. «Das muss sich ändern.» Und dennoch freut er sich, dass Raus «Tell» zumindest einen Moment lang «eine Inklusionswirklichkeit» kreiere.

Irma Frei, die wie Cem Kirmizitoprak keine professionelle Schauspielerin ist, bringt ab Ende April einen Teil ihrer Vergangenheit auf die Bühne, die sie bis vor kurzem nicht einmal ihren eigenen Kindern offenbarte.

Sie leistete von 1958-61, angeordnet von der Schweizer Vormundschaftsbehörde, Zwangsarbeit in der Spinnerei von Emil Bührle. Sie spricht von einer «gestohlenen Jugend» und von einem bitteren Beigeschmack, der der Name des Industriellen und Kunstsammlers für sie habe.

Der Künstlerin Miriam Cahn geht es bekanntlich nicht anders. Sie hat vor kurzem bekanntgegeben, dass sie ihre in der Bührle-Sammlung vertretenen Werke aus dem Kunsthaus abziehen wolle.

Und damit erschliesst sich denn auch die Kulisse an der Medienkonferenz. Milo Rau will die Kunst von Miriam Cahn «befreien». Unter anderem in einem mit seinem Stück verbundenen «Aktiönchen» - einer Vernissage am 20. April, deren Durchführungsort noch nicht bekannt ist. Am 8. April ist ausserdem eine «Hochzeit» in der Wasserkirche in Zürich geplant. «Was auch immer das dann ist», so Milo Rau.

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