Winterthurer Stiftung startet Herkunftsforschung bei 6000 Gemälden

Keystone-SDA
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Winterthur Stadt,

Die Winterthurer Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte (SKKG) nimmt ein Provenienz-Grossprojekt in Angriff: Sie lässt die Herkunft von 6000 Gemälden untersuchen, die Immobilienkönig Bruno Stefanini zu Lebzeiten sammelte. Die Fehler der Bührle-Stiftung will die SKKG dabei nicht wiederholen.

gemälde
Ein Gemälde mit Kürbissen. (Symbolbild) - pixabay

Das Vermächtnis des verstorbenen Winterthurer Immobilienkönigs Bruno Stefanini ist von riesigem Ausmass - und Chaos pur. Seine Sammlung zählt rund 60'000 Objekte oder mehr, darunter sind etwa 6000 Gemälde, die Stefanini in Depots und auf Estrichen lagerte, wo sie verstaubten und teilweise verschimmelten.

Unter den vielen Gemälden, die nach Stefaninis Tod im Jahr 2018 gefunden wurden, sind auch Werke von Vallotton, Segantini, Giacometti, Hodler und Anker. Die Herkunft der 6000 Gemälde ist jedoch nicht klar. Die Verantwortlichen der SKKG, welche die riesige Sammlung betreuen, nehmen deshalb die Provenienzforschung in Angriff - ein Projekt, das viele Jahre dauern dürfte.

«Wir erwarten problematische Fälle», sagte Projektleiterin Carolin Lange am Freitag vor den Medien. «Nur schon wegen der Grösse der Sammlung.» Aber auch, weil Stefanini in den Jahren nach dem Krieg mit dem Kunstkauf begann.

Welche Werke genau problematisch sein könnten, kann Lange noch nicht sagen. «Wir wissen auch nicht, welche Werke während der Kriegsjahre die Besitzer wechselten.» Das Projektteam, das dies herausfinden soll, beginnt im Juli mit der Arbeit, jedes Werk wird einzeln untersucht. Die Etiketten vom Ankauf sind meist noch vorhanden, dazu kommen Archivunterlagen, die an mehreren Standorten gelagert sind.

Werden problematische Fälle gefunden, wird ein Expertengremium bestehend aus sechs bis acht Personen entscheiden, was damit geschehen soll. In diesem Gremium sind auch Vertreter von Opfergruppen des zweiten Weltkriegs vertreten.

An die Werke klammern will sich die Stiftung nicht. «Wir wollen eine gerechte Lösung und wollen diese auch akzeptieren», sagte Geschäftsführer Christoph Lichtin. Dazu gehöre auch, dass die Stiftung Werke allenfalls zurückgebe.

Die SKKG habe den Vorteil, dass sie selber kein Museum betreibe sondern Werke nur ausleihen wolle. «Wir haben kein Problem, wenn ein Werk dann einfach an einem anderen Ort seinen Wert als Kulturgut entwickeln kann.» Und: «Wir haben ganz viele Werke», sagte Lichtin im Hinblick auf den riesigen Umfang der Sammlung von 6000 Gemälden.

Zum Vergleich: In der umstrittenen Bührle-Sammlung im Zürcher Kunsthaus hängen lediglich rund 200 Werke. Den Streit um die Bührle-Sammlung verfolgten die SKKG-Verantwortlichen genau mit und zogen daraus entsprechend Konsequenzen. Es sei wichtig, dass transparent gearbeitet werde und die Grundlagen dafür offengelegt würden. «Wir versuchen, präzise zu sein», verspracht Lichtin.

Geld vom Bundesamt für Kultur (BAK) will die SKKG für ihre Provenienzforschung keine. «Wir können das Projekt mit unseren eigenen Mitteln finanzieren», sagte Lichtin weiter. Die BAK-Gelder überlasse die Stiftung lieber den Museen. Der Wert der Sammlung wird auf über 1,5 Milliarden Franken geschätzt.

Bei der Provenienzforschung geht es primär um «verfolgungsbedingt entzogene Kunst», also Werke, die entweder direkt von den Nationalsozialisten geraubt wurden oder die Eigentümer sie gezwungenermassen verkaufen mussten, um ihre Flucht zu finanzieren.

Im Fall von Stefaninis Sammlung betrifft die Provenienzforschung nicht nur Werke, die während des zweiten Weltkrieges die Besitzer wechselten: In seinen Estrichen lagerten unter anderem auch Masken aus Benin, die während der Kolonisation Afrikas verkauft wurden.

Bruno Stefanini starb 2018 im Alter von 94 Jahren. Bis in die 1970er Jahre zog er Wohnblöcke empor, später kamen Altstadthäuser hinzu, die er zusehends verfallen liess. Genauso eifrig wie Immobilien sammelte der Multimillionär Kunst und Historisches.

Darunter sind auch Kuriositäten wie ein Sonnenschirm von Kaiserin «Sisi» und ein Pult von US-Präsident John F. Kennedy. 1980 gründete er die Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte (SKKG) und vermachte ihr seine Sammlung sowie die Immobilien.

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