Heute vor 100 Jahren wurde der Völkerbund ratifiziert. Der Vorgänger der UNO hatte seinen Sitz in Genf und war in der Schweiz höchst umstritten.
Völkerbund
Der Völkerbund stimmt 1920 in Genf über die Aufnahme der Schweiz ab. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Heute vor 100 Jahren wurde der Völkerbund ratifiziert.
  • Die Schweiz trat dem UNO-Vorgänger zwar bei, wurde aber nie richtig warm damit.
  • Die Abstimmung spaltete das Schweizer Stimmvolk.

Im April 1919 trafen sich die Mächtigen dieser Welt in Versailles. Müde von Tod und Zerstörung versuchten sie, aus den Trümmern des Ersten Weltkriegs wieder etwas aufzubauen. Etwas Bleibendes, dass die Schrecken des Krieges für immer aus der Welt verbannen würde.

Der amerikanische Präsident Thomas Woodrow Wilson schlug in seinem 14-Punkteprogramm dazu die Gründung eines Bundes vor. Dieser sollte die internationale Kooperation fördern, in Konfliktfällen vermitteln, und den Frieden auf dieser Welt sicherstellen.

Erster Weltkrieg
Das Basler Regiment bei der Fahnenübergabe vor dem Basler Rathaus. Kurz darauf bricht es zur Sicherung der Schweizer Nord-Grenze auf. - Keystone

Am 10. Januar 1920, also vor genau 100 Jahren, wurde der Völkerbund durch die Ratifizierung aller Mitgliedsstaaten gegründet. Die Schweizer Unterschrift fehlt aber unter dem Vertrag. Als neutraler Staat war sie gar nicht an die Friedenskonferenz eingeladen worden.

Wie neutral ist neutral?

Schon seit Mai 1918 versuchte eine Bundeskommission, die internationalen Beziehungen der Schweiz neu zu regeln. Die Neutralität und das Völkerrecht waren für die Schweiz damals noch grösstenteils politisches Neuland. Schliesslich empfahl der Bundesrat durch den FDP-Bündner Felix Calonder, dem Völkerbund beizutreten.

Die Position des Bundesrats war aber höchst umstritten. Der Generalstabschef der Armee, Theophil Sprecher von Bernegg, kämpfte entschlossen und effektiv gegen den Beitritt, schreibt die «NZZ». Kern seiner Kritik war, dass ein Beitritt die Erhaltung der integralen Schweizer Neutralität unmöglich machen würde.

Sprecher
Theophil Sprecher setzte sich für eine neutrale Schweiz ein. Wirtschaftlich wie Militärisch. - Keystone

Für ihn war die Unterscheidung des Bundesrats zwischen einer militärischen und wirtschaftlichen Neutralität unglaubwürdig. Man könne nicht wirtschaftliche Sanktionen gegen ein Land ergreifen und gleichzeitig den Anspruch einer neutralen Haltung anmelden, nur weil man die Schweizer Armee nicht ausrücken liess. Nur «ehrliches und unbedingt neutrales Verhalten» könne die Schweiz vor dem Krieg bewahren.

Klaffender Röstigraben

Was macht also die Schweiz vor einer so schwierigen Entscheidung? Sie stimmt natürlich ab. Bei der Volksabstimmung am 16. Mai 1920 gewannen die Beitrittsbefürworter denkbar knapp. Das Resultat war geprägt von einem klaffenden Röstigraben, der sich während des Krieges geöffnet hatte: Die Deutschschweiz wahr mehrheitlich gegen den Beitritt, die Romandie dafür.

Völkerbund
Der Hauptsitz des Völkerbunds war in Genf. Das Gebäude ist 1930 kurz vor seiner Fertigstellung. - Keystone

Doch trotz der Aufnahme agierte die Schweiz in ihrer Diplomatie äusserst zurückhaltend. Völkerbundstruppen wurde der Durchmarsch durch die Schweiz nicht erlaubt, man entzog sich mehreren Wirtschaftskonferenzen und die Weltwirtschaftskrise 1929 sowie der Austritt von Deutschland bewog die Eidgenossen dazu, sich immer weiter zu distanzieren.

Ende April 1938 sah die Landesregierung schliesslich ein, dass eine differenzielle Neutralität nicht umsetzbar war. Mit einem Gesuch an den Völkerbund bat der Bundesrat darum, die «traditionelle» integrale Neutralität der Schweiz wieder anzuerkennen. Der ehemalige Armee-Generalstabschef Theophil Sprecher sah seine Vision aber nicht mehr bestätigt: Er war knapp 10 Jahre vorher gestorben.

Uno Beitritt
Kofi Annan anlässlich des UNO-Beitritts der Schweiz 2002, mit dem damaligen Bundespräsidenten Kaspar Villiger (links) und Aussenminister Joseph Deiss (rechts). - Keystone

Der Zweite Weltkrieg bedeutete 1946 schliesslich auch das Ende des Völkerbunds. Der Nachfolgeorganisation UNO stand die Schweiz dann auch wesentlich länger skeptisch gegenüber. Erst 2002 rangen sich die Eidgenossen wieder zu einem Beitritt durch.

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