Gegen einen Paket-Dienst aus Bern läuft aktuell ein Verfahren. Den Chefs wird vorgeworfen, Boten in missbräuchlichen Arbeitsverhältnissen anzustellen.
Pakete
Ein Paketdienstleister aus Bern soll seine Mitarbeitenden ausbeuten. (Symbolbild) - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Eine behördliche Kontrolle legt nahe, dass ein Berner Paketdienstleister Boten ausbeutet.
  • So entspreche der Lohn nicht dem, was die Aufsichtsbehörde für die Branche vorsieht.
  • Einigen Fahrern fehlte es an der nötigen Befugnis oder einer Arbeitsbewilligung.

In der hektischen Vorweihnachtszeit sind die Boten von Paketdienstleistern besonders gefordert. Doch hinter den Kulissen sieht es düster aus: Harte Arbeitsbedingungen und Ausbeutung sind an der Tagesordnung. Wie der «Bund» berichtet, bringt ein aktueller Fall in Bern diese Problematik ans Licht.

Zuständig für solche Verbundkontrollen ist in Bern die Fremdenpolizei der Stadt. Unter der Leitung von Alexander Ott wurde die Kontrollaktion durchgeführt – die erste ihrer Art bei einem Paketdienstleister. Der Name des Unternehmens wird in dem Bericht nicht genannt, da es sich mit laufenden Ermittlungen konfrontiert sieht.

Fahrer ausschliesslich Osteuropa – Löhne dürften zu tief sein

Mit Unterstützung von rund 40 Personen aus verschiedenen Behörden und Gewerkschaften wurde das Unternehmen unter die Lupe genommen. Die Beamten positionierten sich an den vier Ausgängen des Gebäudes und hielten insgesamt 40 Lieferwagen zur Überprüfung an.

Die Fahrer wurden nach ihren Ausweisen gefragt und ihre Fahrzeuge durchsucht – alle randvoll mit Paketen für die Weihnachtslieferungen. Besonders interessant: Ein Fahrer hatte lediglich einen mazedonischen Pass dabei, eigenen Angaben zufolge verfüge er aber auch über einen ungarischen Pass. Aufgrund der Personenfreizügigkeit mit der EU dürfte er als Ungar in der Schweiz arbeiten, als Mazedonier nicht.

Fremdenpolizei
Unter der Leitung der Fremdenpolizei Bern wurde eine Untersuchung bei einem Paketdienstleister durchgeführt. (Symbolbild)
Paketbote
Bei Befragungen der Boten stellte sich heraus, dass viele in missbräuchlichen Arbeitsverhältnisse angestellt seien. (Symbolbild)
Geld Franken
Unter anderem seien die Löhne zu tief, auf einen 13. Monatslohn müssten die Arbeitnehmer auch verzichten. (Symbold)
Lieferwagen
Mehrere Boten berichteten zudem, dass sie bereits bis zu 80 Stunden pro Woche gearbeitet hatten. (Symbolbild)

Die Kontrollen enthüllten, dass fast alle Fahrer aus Osteuropa stammten und für einen Bruchteil des regulären Lohns arbeiteten. «Private Paketzulieferer stellen Subunternehmer ein, die zu Dumpingpreisen den Paketversand anbieten», erklärte Alexander Ott.

«Es liegt auf der Hand, dass es sich um ausbeuterische Situationen handelt.» Zumal mehrfach berichtet wurde, dass die Boten bis zu 80 Stunden pro Woche arbeiten müssten.

Zehn Franken pro Tag sei für einige besser als nichts

Adrian Flükiger, Co-Präsident des Gewerkschaftsbunds Stadt Bern und Umgebung, bestätigte die Missstände, die auch in anderen Branchen existierten: «Es ist erschreckend zu sehen, wie viele Menschen in der Schweiz zu Dumpinglöhnen arbeiten. Eines der schlimmsten Beispiele waren ausländische Beschäftigte im Coiffeur-Gewerbe, die zu einem Lohn von zehn Franken pro Tag arbeiten mussten.»

Er erklärt der Zeitung weiter: «Menschen sind bereit, für zehn Franken im Tag zu arbeiten, weil das immer noch besser sei, als nichts zu haben.»

Denken Sie, dass der Staat mit härteren Massnahmen gegen solche missbräuchliche Arbeitsverhältnisse vorgehen sollte?

Auf dem Postmarkt ist laut der Aufsichtsbehörde Postcom ein Bruttomindestlohn von 19 Franken pro Stunde vorgesehen. Flückiger, der bei den Kontrollen vor Ort war, ist sich sicher, dass die betroffenen Boten schlechter bezahlt werden. «Zudem gibt es keinen 13. Monatslohn, wie die Befragungen zeigen», hält der Gewerkschaftler fest.

Zwei der 40 Fahrer waren keine EU-Bürger und durften nicht in der Schweiz arbeiten. Vier andere arbeiteten ohne entsprechende Bewilligung und verstiessen gegen das Meldegesetz. Das vorläufige Ergebnis der Untersuchungen fiel ernüchternd aus.

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