Viele Mitholzer würden bei länger dauernder Evakuierung wegziehen
Viele Bewohner von Mitholz BE würden bei einer zu langen Räumung des früheren Munitionslagers wegziehen, wie eine Mitwirkung zeigt.

Das Wichtigste in Kürze
- Viele Mitholzer würden bei einer zu langen Räumung des früheren Munitionslagers wegziehen.
- Dies geht aus einer am Donnerstag veröffentlichten Mitwirkung hervor.
Dauert die Räumung des ehemaligen Munitionslagers der Armee in Mitholz wie veranschlagt zehn Jahre, würden fast alle Dorfbewohner wegziehen. Das geht aus einer Mitwirkung hervor, deren Resultate am Donnerstag publik wurden.
Die Mitwirkung soll den Behörden zeigen, wie die Bevölkerung über die Pläne des Bundes denkt. Dieser will das verschüttete Munitionslager in einer Fluh beim Dorf Mitholz räumen. Die heiklen Arbeiten würden zu einer Langzeitevakuierung des Dorfes führen.
Die Betroffenheit und die Belastung durch die Räumung beurteilten die Teilnehmenden der Mitwirkung als sehr gross. Dies teilte das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) am Donnerstag mit.
Dauer der Räumung sorgt für Kritik
72 Prozent der Antwortenden gaben an, dass sie dadurch eine mittlere, grosse oder sehr grosse Beeinträchtigung der Lebensqualität haben. Insbesondere die lange Dauer des Räumungsprojekts stösst in der Bevölkerung auf Kritik.
Bereits bei einer Evakuierung von mehr als einem Jahr würde gut die Hälfte der Antwortenden aus Mitholz wegziehen. Bei einer Dauer von zehn Jahren wären es über 80 Prozent.
Eine Mehrheit möchte jedoch auch bei einem Wegzug in der Region bleiben. Vom Bund erwarten die Betroffenen dabei Unterstützung und umfassende finanzielle Entschädigungen, wie aus der Mitteilung hervorgeht.

Das vom VBS im vergangenen Februar vorgestellte Räumungskonzept beurteilt die Bevölkerung unterschiedlich. Rund die Hälfte stehen der Variante einer Überdeckung der im Fels eingelagerten Munition mit Gestein positiv gegenüber. Eine solche Lösung käme aber gemäss Konzept nur zum Tragen, wenn eine vollständige Räumung nicht möglich ist.
Im restlichen Talgrund steht die Bevölkerung einer Überdeckung negativ gegenüber. Im höher gelegenen Kandersteg sehen rund zwei Drittel diese Variante als positiv an.
Dass nun die Variante der Überdeckung stärker ins Zentrum rücken könnte, verneinte das VBS am Donnerstag gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-sda. Die Überdeckung «gilt weiterhin als Option, die nur realisiert werden soll, falls eine vollständige Räumung der Munitionsrückstände nicht möglich ist.» Das heisst es in der schriftlichen Antwort.
Mehrheit lehnt Schutzbauten an Liegenschaften ab
Eine grosse Mehrheit der Mitwirkenden lehnt Schutzbauten an Liegenschaften gegen die Auswirkungen potenzieller Explosionen als unzumutbar ab. Auch Sperrungen des Strassen- und Schienenverkehrs kommen schlecht an. Insbesondere die kantonalen und lokalen Behörden sowie Tourismuskreise fordern nachdrücklich Verkehrsverbindungen, die ununterbrochen in heutiger Kapazität zur Verfügung stehen.
Die geplanten Schutzbauten für die Bahn wurden in der Mitwirkung gut aufgenommen – mit Ausnahme der unmittelbar davon Betroffenen. Bei den Schutzmassnahmen für die Strasse haben die Mitholzer eine klare Präferenz für eine Untertunnelung oder neue Linienführung. Damit kann das Dorf auch gleich vom Durchgangsverkehr entlastet werden.
Die Behörden äusserten sich in ihren Stellungnahmen grundsätzlich zustimmend zum Räumungskonzept und sicherten zu, die bisherige Zusammenarbeit fortzuführen. Die Räumung der Munitionsrückstände als Ziel wurde laut VBS nicht in Frage gestellt.
Entscheid über weiteres Vorgehen im vierten Quartal erwartet
Die Ergebnisse der Mitwirkung sollen nun in die Variantenevaluation einfliessen. Ein entsprechender Bericht dazu wird als Grundlage dienen für einen Antrag an den Bundesrat. Dieser wird voraussichtlich im vierten Quartal 2020 über das weitere Vorgehen entscheiden.
In Felskavernen bei Mitholz lagern noch einige Tausend Tonnen alte Armeemunition. 1947 flog ein Teil des Munitionslagers in die Luft, der Rest wurde verschüttet. Lange Zeit gingen Experten davon aus, dass allfällige weitere Explosionen nur beschränkten Schaden anrichten würden. Erst 2018 kam das VBS in einer neuen Risikoanalyse zu ganz anderen Schlüssen.

Nun rückte eine vollständige Räumung der explosiven Altlasten in den Fokus. Auf eine solche drängten auch die Dorfbewohner. Im vergangenen Februar wurde klar, dass das Vorhaben mit einer Evakuierungszeit von rund zehn Jahren einhergeht.
Die Räumung dürfte mehr als eine Milliarde Franken kosten. Zur Not könnte die gesamte Anlage mit Gestein überdeckt werden. Dies würde den Bewohnern zwar eine Langzeitevakuierung ersparen, aber das Problem nur bedingt lösen würde.