Immer weniger Lehrbetriebe bieten eine berufsbegleitende Berufsmaturität an. Dies benachteilige weniger privilegierte Menschen, kritisiert die Unia.
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Ein Zimmermanns-Lehrling bei der Arbeit. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Einer Umfrage zufolge bieten immer weniger Betriebe die berufsbegleitende BMS an.
  • Der Grund: Die Lernenden sollen möglichst viel vor Ort eingesetzt werden.
  • Dies benachteilige weniger privilegierte Menschen, kritisiert die Gewerkschaft.
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In der Schweiz führen verschiedene Wege zu einer Maturität. Schulabgängerinnen und Schulabgänger, die sich für einen Lehrberuf entscheiden, können einerseits eine Berufsmaturität nach der Grundausbildung machen. Andererseits gibt es die Möglichkeit, die BMS mit zusätzlichen Schulstunden während der Lehre zu absolvieren.

Letzteres kommt in vergangenen Jahren immer weniger zum Zug, wie eine Umfrage von GFS Bern nun zeigt. Absolvierten vor zehn Jahren noch 55 Prozent der Lernenden die BMS während der Lehre, sind es heute nur noch 45. Die Mehrheit hängt die Berufsmaturität nach der Lehre an.

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Eine Auszubildende in einem Schweizer Gastrobetrieb. - keystone

Beeinflusst wurde diese Kehrtwende vor allem von den Lehrbetrieben. Der Umfrage zufolge bieten nämlich immer weniger die berufsbegleitende BMS an. Oftmals wird sie bereits in den Ausschreibungen ausgeschlossen – trotz vorhandenem Interesse der Lernenden.

Die Gründe dafür sind vielfältig, rechtfertigt der Lehrbetriebsverband auf Nau.ch-Anfrage: So beanspruche die berufsbegleitende BMS Zeit, «welche dann in der immer anspruchsvolleren Ausbildung fehlt.» Sprich: Die Lehrlinge sollen arbeiten – nicht studieren.

Haben Sie die Berufsmaturität absolviert?

«Die BMS wird oft ‹auf Vorrat› gemacht. Obwohl das Ziel für die jungen Menschen noch nicht klar ist», so Sprecher Stefan Keller weiter.

«Dies kann nach einer absolvierten Lehre schon anders aussehen.» Der Lehrbetriebsverbund könne das Vorgehen der Betriebe daher verstehen.

Gewerkschaft-Kritik: Nachteil für weniger Privilegierte!

Anderer Ansicht ist die Gewerkschaft Unia: «Der Aufwand, die BMS nach der Lehre nachzuholen, ist sehr gross. Und benachteiligt junge Menschen, die aus weniger privilegierten Verhältnissen stammen.» Das sagt Sprecherin Elisabeth Fannin gegenüber Nau.ch.

Nicht alle jungen Berufsleute könnten nach der Lehre auf die Unterstützung der Eltern zählen. Sie müssten einen Arbeitgeber suchen, der ihnen eine Teilzeitstelle anbietet.

«Die Berufsmatura während der Lehrzeit ist die günstigste Möglichkeit, mittlere Reife zu erlangen», sagt Fannin weiter. Dies sei wichtig für die soziale Durchlässigkeit.

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Einer GFS-Umfrage zufolge bieten immer weniger Betriebe die berufsbegleitende Berufsmaturität an. (Symbolbild)
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Die Betriebe setzen die Lernenden lieber vor Ort ein. (Symbolbild)
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Dadurch würden vor allem Menschen aus weniger privilegierten Verhältnissen benachteiligen, kritisiert die Unia.

Es gebe keine Regelung, dass der Lehrbetrieb den Besuch der Berufsmaturität ermöglichen müsse, heisst es beim Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation SBFI. «Für den Besuch der Berufsmaturität während der beruflichen Grundbildung benötigt es das Einverständnis des Lehrbetriebs.»

Das SBFI unternehme mit dem Verbundpartnern Anstrengungen. Sodass möglichst viele Lehrbetriebe ihren Lernenden diese Möglichkeit offeriere.

«Die Sicherstellung von qualifizierten Fachkräften ist im ureigenen Interesse der Unternehmen», so Fantini. «Die Ausbildung von Lernenden ist entscheidend für die Bekämpfung des Fachkräftemangels.»

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