Verstümmelte Lämmer: Luxuslabel Michael Kors fällt durch
An Produkten der Luxusmarke Michael Kors könnte viel Blut kleben. Dies zeigt ein neuer Bericht.

Das Wichtigste in Kürze
- Über die Hälfte der Merinowolle stammt von verstümmelten Schafen aus Australien.
- Die Marke Michael Kors schert sich bei der Wollbeschaffung nicht um Transparenz.
- Etwa Zalando, das Produkte der Marke anbietet, sieht aber keinen Handlungsbedarf.
Das runde Label «MK» baumelt an der Tasche manch trendbewusster Schweizerinnen und Schweizer. Gut möglich ist, dass Produkte der amerikanischen Luxusmodemarke auf der einen oder anderen Wunschliste für Weihnachten stehen.
Die Marke bietet auch Pullover aus der besonders anschmiegsamen Merinowolle an. Ein neuer Bericht dürfte die Freude an den Produkten von Michael Kors aber trüben. Denn: An manchen davon könnte viel Blut kleben.
«Luxus endet, wenn Lämmer leiden!», warnt die Tierschutzorganisation Vier Pfoten. Im Bericht «Behind the Wool» gibt Vier Pfoten der Marke im Kampf gegen Lämmerverstümmelung null von 100 Punkten.
Klare Informationen fehlen oft
Über die Hälfte der Merinowolle, die in der Modeindustrie weltweit verwendet wird, stammt aus Australien. Laut Vier Pfoten wird diese Wolle zudem von Schafen gewonnen, die als Lämmer verstümmelt wurden (siehe Box).
Schmerzhafte Praxis
Bei der Lämmerverstümmelung oder dem sogenannten Mulesing handelt es sich um eine veraltete und schmerzhafte Praxis. Die Halterinnen und Halter schneiden Lämmern im Alter von zwei bis zwölf Wochen die Falten am Hinterteil ab. Dies soll verhindern, dass sich in den Falten Fliegenmaden einnisten. Da Merinoschafe viele Hautfalten haben, sind sie anfällig für den Fliegenmadenbefall. Das weggeschnittene Hautstück ist jeweils grösser als eine Handfläche. Die betroffenen Partien entzünden sich. Im schlimmsten Fall können die Tiere an den Folgen sterben.
Die Tierschutzorganisation hat von über 100 Unternehmen weltweit die Transparenz im Hinblick auf Lämmerverstümmelung bewertet.
Knapp 70 Prozent veröffentlichen laut dem Bericht keine klaren und konsistenten Informationen darüber, wie sie Lämmerverstümmelung in ihrer Wollbeschaffung vermeiden.
Die Marken Marc O'Polo, COS, Ortovox, Patagonia und Tchibo beziehen hingegen ausschliesslich zertifizierte Wolle ohne Lämmerverstümmelung. Auch liefern sie ihren Kundinnen und Kunden klare Produktinformationen.
Ein Viertel der Unternehmen hat laut dem Bericht unmittelbar Verbesserungen ihrer Transparenz in die Wege geleitet. Zum Beispiel verbesserten beziehungsweise präzisierten sie ihre Richtlinien oder Produktkennzeichnungen.
«Mangel ist inakzeptabel»
Die bulgarischen Marken Junona, Teodor und Dika führen in der Kategorie der «grössten Verbesserungen» das Ranking an. Sie erklären sich bereit, klar anzugeben, dass sie ausschliesslich zertifizierte Wolle beziehen, die frei von Mulesing ist.
Schlusslicht Michael Kors hingegen verfügt weder über Richtlinien noch über Produktinformationen. Auch hat die Marke laut dem Bericht wiederholte Kontaktaufnahmen ignoriert. Konkurrenten wie Burberry und Calvin Klein haben sich laut Vier Pfoten dagegen bereits verpflichtet, nur zertifizierte Wolle zu verwenden.
«Als grosse globale Marke ist dieser Mangel an Transparenz und Verantwortung inakzeptabel», folgert der Bericht.
Konsumentinnen und Konsumenten ruft die Tierschutzorganisation auf, einen Brief an Michael Kors zu unterschreiben. Das Label soll sich demnach verpflichten, nur zertifizierte, verstümmelungsfreie Wolle zu verwenden.
Michael Kors habe nötige Nachweise vorgelegt
Michael Kors hat die Anfrage der Redaktion unbeantwortet gelassen.
Auch Online-Shops wie Zalando haben Pullover aus Merinowolle von Michael Kors im Sortiment. Wolle von Tieren, an denen Mulesing durchgeführt wurde, ist laut den Mindestanforderungen des Online-Versandhändlers verboten. Dies bestätigt Zalando-Mediensprecherin Julia Zweigle Nau.ch.
Trotz der schlechten Bewertung von Michael Kors im neuen Bericht sieht Zalando keinen Handlungsbedarf.
Im Rahmen ihrer letzten Prüfung habe Michael Kors die nötigen Nachweise vorgelegt, sagt Julia Zweigle. Diese bestätigten die Einhaltung ihrer Anforderungen für die von Zalando stichprobenartig geprüften Wollprodukte.
Zalando erklärt Vorgehen
Die Geschäftspartner von Zalando sind verpflichtet, auf Anfrage entsprechende Nachweisdokumente vorzulegen, welche die Einhaltung dieser Anforderungen belegen.
Mammut ist top, Rohner Socken ist flop
Der Transparenzbericht «Behind the Wool» bewertet auch Schweizer Marken im Hinblick auf Lämmerverstümmelung.
Am besten schneidet der Bergsportausrüster Mammut ab. 90 bis 100 Prozent der analysierten Produkte geben eindeutig an, dass sie frei von Lämmerverstümmelung sind. Dies weisen solide Zertifizierungen von Drittanbietern aus.
Noch Aufholpotenzial haben die Wäschemarke Calida und die Modekette PKZ. Die beiden Marken haben sich öffentlich dazu verpflichtet, bis 2030 nur zertifizierte Wolle ohne Lämmerverstümmelung zu verwenden.
Kein klares Engagement zur Verbesserung der Transparenz zeigen der Grossverteiler Coop, die Wäschemarke Migros Essentials des Grossverteilers Migros und das Warenhaus Manor. In dieselbe Kategorie fallen der Sportausrüster Ochsner Sport und die Herrenmodemarke Strellson. Es fehlen solide Zertifizierungen, konkrete Zeitpläne. Auch gibt es kein Ziel, zu 100 Prozent mulesingfreie Wolle zu beziehen.
Schlusslicht ist Sockenhersteller Rohner Socken. Die Marke nutzt Wolle, hat aber keine Stellungnahme oder Massnahmen betreffend Lämmerverstümmelung bekanntgegeben.
Würden Produkte eines Partners als nicht konform eingestuft, arbeiteten sie eng mit ihm zusammen, sagt Julia Zweigle. Dies, um die notwendigen Korrekturmassnahmen zu vereinbaren.

Würden ihre Standards jedoch nicht eingehalten, sähen sie sich verpflichtet, die weitere Listung der betroffenen Produkte zu überprüfen.
Verbot von Mulesing-Wolle gefordert
2021 forderte Grünen-Nationalrätin Meret Schneider in einem Vorstoss, den Import von Mulesing-Wolle zu verbieten.
Der Bundesrat beantragte eine Ablehnung des Vorstosses.
Ein Importverbot würde das Diskriminierungsverbot der Welthandelsorganisation WTO verletzen, argumentierte der Bundesrat. Auch sei es sehr schwierig oder praktisch unmöglich, Wolle zurückzuverfolgen, nachdem sie gemischt oder verarbeitet worden sei.
«Das Tempo spielt eine Rolle»
In der Schweiz ist Mulesing verboten. Zudem sind Schweizer Schafrassen nicht von jenen Problemen betroffen, die Mulesing überhaupt erforderlich machen würden.
Australien und Neuseeland produzierten weltweit Wolle für die Bekleidungsindustrie, sagt Herbert Karch zu Nau.ch. Er ist Präsident des Vereins Pro Wolle Schweiz. «Dort spielt beim Schären das Tempo eine Rolle.»
Die Schweiz verfüge hingegen kaum über grosse Schafherden, sagt Karch. Dafür gebe es hierzulande zu wenig grosse Weideflächen. «Nur wenige Schafhalter haben ausschliesslich Schafe, sondern auch noch weitere Nutztiere.»
Schafe werden laut Karch in der Schweiz nicht aus wirtschaftlichen Gründen gehalten. «Die Wolle nutzt man nur, damit sie nicht im Abfall landet.» So werde diese etwa für den Schlafkomfort, Strickwaren oder Bauisolationen verwendet.















