«Verlassen sich aufs Handy»: Mehr Nachtrettungen von Alpinisten
Gleich zweimal musste die Air Zermatt letzte Woche nachts ausrücken – kein Einzelfall. Das liege auch an Handys, meint der bekannte Bergretter Bruno Jelk.

Das Wichtigste in Kürze
- Die Air Zermatt rückte letzte Woche gleich zweimal nachts zur Bergrettung aus.
- Bergretter Bruno Jelk sieht die Schuld für mehr Nachteinsätze auch bei den Handys.
- Einsätze in der Nacht sind herausfordernder, sagt die Air Zermatt.
In der vergangenen Woche rückte die Air Zermatt gleich zweimal zu einer nächtlichen Bergrettung aus. Beide Einsätze standen im Zusammenhang mit einem Viertausender.
Am vergangenen Mittwoch waren es zwei erschöpfte Alpinisten, die gerettet werden mussten. Und das am Matterhorn – aus völliger Dunkelheit auf über 4000 Meter Höhe.
Am Samstag kam es dann zu einem Rettungseinsatz an der Lenzspitze zwischen dem Saas- und dem Mattertal. Auch in diesem Fall musste Air Zermatt zu Alpinisten ausrücken, die in schwierigem Gelände festsassen.
Air Zermatt bemerkt «eine Zunahme an Nachteinsätzen»
Dass es gleich in einer Woche zu zwei Rettungsmissionen in der Nacht gekommen sei, sei «eine Zunahme an Nachteinsätzen», so die Rettungsorganisation.
Nau.ch hat bei der Air Zermatt nachgefragt. Gibt es etwa mehr Menschen, die sich nachts am Berg aufhalten?
«Nicht unbedingt», meint Mediensprecher Bruno Kalbermatten. Aber: «Wenn die Temperaturen besser sind, nehmen sich die Bergsteiger am Abend mehr Zeit.»
Hinzu komme, dass unerfahrenere Bergsteiger bei milderen Temperaturen teils vom Einbruch der Nacht überrascht würden. Und: «Langgezogene Tage können die Leute am Berg ermüden, das kann zu Rettungseinsätzen führen.»
Nachttouren sind «umso gefährlicher»
Dass es immer mehr Menschen gibt, die sich nachts in den Bergen aufhalten, bestätigt gegenüber Nau.ch derweil die Air Glaciers.
Sie stellt fest, dass es sich dabei vor allem um Menschen handle, die bereits tagsüber aufgebrochen seien. Und sich schlecht vorbereitet hätten.

Sprecherin Eliane Zürcher erklärt: «Man muss sich darüber im Klaren sein, dass die Berge bereits tagsüber viele Gefahren bergen. Eine Nachttour ist daher umso gefährlicher.»
Dies auch, weil die Gefahren aus mangelnder Sicht schwerer einzuschätzen seien. Insbesondere, wenn man am Berg wenig Erfahrung habe.
«Ein Ausflug bei Nacht ist also viel technischer und erfordert eine erhöhte Anpassungsfähigkeit und Wachsamkeit.» Zudem würden subjektive Gefahren wie Müdigkeit und Desorientierung erfahrungsgemäss oft unterschätzt.
«Lieber einmal zu viel alarmieren»
Auch die Rega kennt Bergrettungen in der Nacht, wie sie gegenüber Nau.ch bestätigt. Seit 2020 rückte die grösste Schweizer Rettungsflugwacht rund 80 Mal jährlich aus, um Menschen nachts vom Berg zu retten.
Mediensprecherin Corina Zellweger erklärt zudem: «Wir stellen grundsätzlich einen sehr verantwortungsvollen Umgang mit der Alarmierung der Rega fest.»
00:00 / 00:00
Eine frühzeitige Alarmierung könne – auch in der Nacht – manchmal Unfälle verhindern. Beispielsweise dann, wenn sich jemand im Gelände verstiegen habe, so die Mediensprecherin.
Drum heisst es sogar: «Im Zweifelsfall raten wir deshalb, lieber einmal zu viel zu alarmieren als einmal zu wenig.»
Dem pflichtet Bruno Kalbermatten von der Air Zermatt bei. Wenn man alarmiert werde, gelte: «Lieber, man geht einmal mehr als einmal zu wenig.»
Es gibt viele Alpinisten, die sich «auf das Handy verlassen»
Doch dass man dank Handy-Technologie einfacher als früher um Hilfe rufen kann, sieht Bergretter Bruno Jelk zuweilen kritisch. Mit seinen 30 Jahren Berufserfahrung stellt er gegenüber Nau.ch fest: «Leider gibt es viele Alpinisten und Wanderer, die sich auf das Handy verlassen.»

Wenn es nicht mehr gehe, würde einfach die Rettungswacht angerufen. «Dies ist meistens beim Einbrechen der Nacht oder bei Wetterverschlechterung der Fall», so Jelk.
Es seien meist unerfahrene Alpinisten, die nachts am Berg festsitzen würden. Denn: «Die guten Alpinisten und Wanderer sind dann zurück oder brechen die Tour vorher ab.»
Nachtrettungen haben «wegen der Handyalarme» zugenommen
«Wegen der Handyalarme» hätten die Rettungen in der Nacht zugenommen, erklärt der Bergretter. «Darum mussten wir international ein Risikomanagement besprechen.»
Dies für den Fall, dass kein medizinisches Problem vorliege. Und auch keine objektive Gefahr wie Steinschlag, Lawinen oder Absturzgefahr bestehe.
In solchen Situationen «muss man den Mut haben, ihnen mitzuteilen, dass sie sich schützen und warten sollen». Und zwar, bis es dem Rettungsteam möglich sei, die Rettung durchzuführen.
Man lehne zwar keine Rettung ab. Aber: «Es ist ein Abwägen der Gefahren zwischen dem Rettungsteam und den Alpinisten.»
«Die Dunkelheit ist wie eine schwarze Wand»
Denn Nachteinsätze – vor allem Rettungen mit dem Helikopter – seien «viel schwieriger». Grund dafür sei die eingeschränkte Sicht. «Objektive Gefahren sind schlecht zu beurteilen – und Wetterveränderungen sind viel schlechter zu erkennen.»

Und auch Bruno Kalbermatten von der Air Zermatt sagt: «Nachteinsätze sind herausfordernder. Die Dunkelheit ist wie eine schwarze Wand.»
Ohne Lichter gebe es kaum Orientierungspunkte. Rettungen mit der Seilwinde seien zudem komplexer, weil Entfernungen in der Nacht schwieriger einzuschätzen seien.