Dass Russland vereinfacht Pässe an die Separatisten gibt, findet Philipp Casula eine vergebene Chance. Der Russland-Experte vermutet drei Motive.
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Das Verhältnis zwischen der Ukraine und Russland ist wieder angespannt. - keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Der Streit um die Separatistengebiete in der Ukraine gehen weiter.
  • Der Kreml senkt die Anforderung für die Separatisten, russische Staatsbürger zu werden.
  • Russlandexperte Philipp Casula gibt eine Einschätzung.

Seit fünf Jahren bekriegen sich der ukrainische Staat und prorussische Separatisten. Letztere wurden von Russland unterstützt. Am Mittwoch beschloss Russland unter Präsident Wladimir Putin, dass die Separatisten von Donezk und Luhansk vereinfacht russische Staatsbürger werden können.

Ein Affront für die Ukraine. Nur wenige Tage zuvor wurde der designierte Präsident Wolodymyr Selenskyj in der Ukraine gewählt.

Die Reaktion Selenskyjs kam sofort – mehr Sanktionen gegen Russland. Solche existieren bereits. Aus anderen westlichen Ländern waren ähnliche Töne zu hören.

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Die östlichen Teile (rot, Bild oben links) der Ukraine (rot, grosses Bild) werden von Separatisten besetzt. - AmCharts / Bildmontage: Nau

Der Soziologe Philipp Casula, der an der Universität Basel unterrichtet, glaubt nicht an den Nutzen von Sanktionen. «Internationale Sanktionen waren historisch nie besonders wirksam und haben immer die Bevölkerung getroffen, weniger die Machthaber», so Casula.

Sanktionen haben symbolischen Wert

Dennoch hätten Sanktionen einen hohen symbolischen Wert. Der Forscher, dessen Interesse auf der russischen Aussenpolitik liegt, verortet drei Motive bei Russland. Zum einen will das Land der internationalen Gemeinschaft zeigen, dass das «Powerplay» weitergeht.

Zudem vermutet Casula, dass Russland Selenskyj testen möchte. Als drittes Motiv denkt der Russland-Kenner, dass der Kreml den Separatisten entgegenkommen möchte. Hintergrund sei der Visa-freie Zugang zum Schengen-Raum.

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Philipp Casula unterrichtet zur Zeit am Slavischen Seminar in Basel. - Geschichte der Gegenwart

Die Separatisten von Donezk und Luhansk haben mit ihren nicht-anerkannten Pässen keine wirkliche Reisefreiheit. Mit den russischen, die sie nun vereinfacht erhalten, geht das Reisen wesentlich einfacher, sagt Casula.

Vergebene Chance für Richtungswechsel

Der 41-Jährige wertet den Entschluss Putins als unfreundlich. Man hätte den Machtwechsel in der Ukraine für einen Richtungswechsel nutzen können. «Der Kreml setzt aber weiter auf Stärke.» Die russische Regierung bleibe der Taktik treu, die Ukraine maximal unter Druck zu setzten.

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Nationalistische Aktivisten halten Feierlichkeiten am dritten Jahrestag der separatistischen Trennung in der Ukraine ab. - Keystone

Eine Annexion der prorussischen Gebiete hält der doktorierte Soziologe aber für unwahrscheinlich. Ähnliche Gebiete in einer ähnlichen Situation seinen auch nicht annektiert worden. Es gibt zudem einen weiteren Grund.

Casula: «Eine Annexion von Donezk und Luhansk wäre eine grosse internationale Eskalation.» Doch auch einen Frieden hält Casula für unwahrscheinlich. Für den Moment könnte der Erlass zu einer Intensivierung führen, mittel und langfristig habe die russische Entscheidung aber keinen Einfluss.

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