Uhrenfirma: Mitarbeiter müssen für WC-Pause ausstempeln
Das Wichtigste in Kürze
- In einer Uhrenfirma müssen Angestellte für WC-Pausen ausstempeln.
- Gegen diese Massnahme ging der Kanton Neuenburg gerichtlich vor.
- Nun hat der Gerichtshof für öffentliches Recht der Uhrenfirma recht gegeben.
Dieser Präzedenzfall dürfte schweizweit hohe Wellen schlagen: Uhrenhersteller Jean Singer et Cie in Boudry NE darf seine Angestellten bei WC-Pausen ausstempeln lassen. Das hat das Kantonsgericht Neuenburg entschieden.
Doch wie kam es überhaupt zu der Gerichtsverhandlung? Bei einer Covid-19-Kontrolle im Jahr 2021 hatte das Büro für Beziehungen und Arbeitsbedingungen in Neuenburg (ORCT) festgestellt, dass es in der Uhrenfirma eine Stempelpflicht bei WC-Pausen gibt.
Für die kantonale Arbeitsverwaltung ist diese Praxis illegal – der Fall landete daher vor Gericht. Am Montag wurde nun bekannt, dass das Kantonsgericht der Uhrenfirma recht gegeben. Über die Premiere in der Schweiz berichtete das SRF in «Schweiz aktuell» vom Montagabend und beruft sich auf eine Recherche von RTS.
Bei WC-Pausen ausstempeln – kannst du das nachvollziehen?
Demnach hält der Gerichtshof für öffentliches Recht in seinem Urteil fest, dass «der Begriff Pause im Gesetz nicht klar definiert» sei. Aufgrund dieser Regelungslücke ist es dem Arbeitgeber nicht ausdrücklich untersagt, Toilettenpausen als Teil der Pausenzeit zu werten.
Das Gericht ist jedoch der Auffassung, dass die Stempelplicht Frauen aufgrund ihrer Periode benachteiligt und fordert das Uhrenunternehmen auf, Massnahmen zu ergreifen, um diese «Ungleichheit zu verringern».
Kanton zeigt sich besorgt – Arbeitgeberverband auch
Pascal Moesch, Anwalt von Jean Singer et Cie, verteidigt die Praxis der Uhrenfirma und sagt, dass der Gang zur Toilette für das Unternehmen eine Arbeitsunterbrechung bedeute. «Ob es sich dabei um Toilettenpausen, Essenspausen, Ruhepausen, Telefonpausen oder um einen Spaziergang in der Natur handelt: Unabhängig vom Grund der Pause, muss sie gestempelt werden.»
Beim Kanton Neuenburg hingegen kommt das Gerichtsurteil schlecht an. «Ich hoffe, dass dieses Urteil keine Nachahmer bei anderen Unternehmen findet, die versucht sein könnten, solche Praktiken anzuwenden», zeigt sich Florence Nater gegenüber «RTS» besorgt. Es sei schon ein starkes Signal, meint die für Beschäftigung zuständige Regierungsrätin.
Der Arbeitgeberverband nehme das Urteil so zur Kenntnis, sagt Barbara Zimmermann-Gerster. «Es ist nicht die Richtung, in die es gehen sollte, jedoch ist dies ein Einzelfall«, betont das Geschäftsleitungsmitglied. Und sie sagt: «Angesichts des Fachkräftemangels müssen Arbeitgeber sehr wohl schauen, dass sie attraktiv sind und auch auf die Bedürfnisse der Arbeitnehmer eingehen.»
Es gibt weitere Firmen mit WC-Pausen
Wie «RTS» während der Recherche herausgefunden hat, gibt es drei weitere Uhrenfirmen mit Sitz in La Chaux-de-Fonds NE, die ihre Angestellten bei WC-Pausen ebenfalls ausstempeln lassen. «Sellita», «Universo» sowie «Rubattel und Weyermann» wollten dazu nicht Stellung nehmen.
Die beiden letzteren Firmen gehören zur Swatch Group. Der Hayek-Konzern sagt, dass man davon nichts gewusst habe und die Praxis beenden werde. In einem schriftlichen Statement des Uhrenriesen heisst es: «Wir werden die Situation in diesen beiden Einheiten unverzüglich an die Standards des Konzerns anpassen«. Und: In allen Unternehmen der Gruppe werde keineswegs verlangt, dass man sich beim Gang zur Toilette ausstempelt.