Trotz kritischer Studien: Ärzte verschreiben häufig Tamiflu
Anlässlich der andauernden Grippewelle gibt es Diskussionen zu Grippe-Medikamenten. Trotz kritischer wissenschaftlicher Stimmen verschreiben Ärzte wieder Tamiflu.

Das Wichtigste in Kürze
- Ärzte verschreiben wieder häufiger Tamiflu.
- Letzten Sommer hat das ECDC das Medikament empfohlen.
- 2014 haben unabhängige Wissenschaftler die Wirkung des Grippemittels in einer Studie stark in Frage gestellt.
Seit 1999 ist das Grippemittel Tamiflu im Einsatz. Der Hersteller Roche verdiente seither rund 17 Milliarden mit dem Medikament. Wie der «Tages-Anzeiger» berichtet, war vor vier Jahren Schluss mit dem Hype. Auslöser war eine wissenschaftliche Studie der internationalen Cochrane Collaboration. Fazit der Studie war: Tamiflu wirkt nicht besser als ein Fieberzäpfchen.
Kehrtwende durch europäische Empfehlung
Letzten Sommer hat das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) mit einer grossflächigen Empfehlung Tamiflu wieder in sämtliche Arztpraxen gebracht. Das Medikament solle sowohl bei schwerer Grippe, als auch als Prophylaxe verschrieben werden.
Gekaufte Studien
Die Autoren der Cochrane-Studie hinterfragen die Studien, auf welche sich das ECDC stützt. «Im Fall der antiviralen Grippemedikamente sind für mich die Mitglieder von öffentlichen Gesundheitsorganisationen nicht unabhängig», sagt Peter Doshi. Zwei der Studien sind nämlich vom Tamiflu-Hersteller Roche finanziert.
Besonders bedenklich ist aber die Empfehlung an Regierungen, Tamiflu für eventuelle Pandemien zu horten. Ein Tamiflu-Lager ist nämlich auch kostspielig. Die USA kaufte 2014 Vorrat für 60 Millionen Franken.
Theorie versus Praxis
Anderer Meinung ist Pietro Vernazza, Chefarzt Infektiologie am Kantonsspital St.Gallen: «Die Cochrane Collaboration stellt an Studien meist Anforderungen, die in der Praxis kaum erfüllbar sind». Er setzt nach wie vor auf die Wirkung von Tamiflu.