Reto S. fürchtet sich auf der Dorfstrasse in Pfungen bei Winterthur ZH. Denn sein Arbeitsweg ist der reinste Zickzack auf dem Trottoir.
Reto S. hat seinen Weg zum Bahnhof für Nau.ch gefilmt. Immer wieder muss er die Strassenseite wechseln, weil das Trottoir endet. - Nau.ch

Das Wichtigste in Kürze

  • Reto S.* fühlt sich als Fussgänger in der Gemeinde Pfungen unsicher.
  • Die Dorfstrasse, die er jeden Tag zum Bahnhof abläuft, sei unübersichtlich und gefährlich.
  • Seine Sorgen scheinen jedoch auf taube Ohren zu stossen.
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«Fussgänger leben gefährlich. In der Gemeinde Pfungen sind sie als Verkehrsteilnehmer Menschen zweiter Klasse», redet sich Nau.ch-Leser Reto S.* in Rage.

Um die wichtige, alles verbindende Dorfstrasse entlangzugehen, so schimpft er, brauche es Mut und ständige Wachsamkeit. Oft muss der 27-Jährige schon um 5 Uhr morgens von der Gablung Buck- und Reckholdernstrasse Richtung Bahnhof unterwegs sein.

«Die kurvenreiche Strasse ist völlig unübersichtlich – und hat dennoch kein einheitliches Trottoir.» Um diese Jahreszeit liege sein Weg zur Arbeit zudem in völliger Dunkelheit.

Ein Video zeigt: Reto muss im Dorf nahe Winterthur mehrfach die Strassenseite wechseln, weil es kein Trottoir hat. Auch vor einer Kurve – ohne Fussgängerstreifen.

Geschwindigkeitslimit wird nicht eingehalten

Angegeben ist Tempo 30. Aber das Geschwindigkeitslimit hielten die meisten Autofahrer nicht ein: «Sie fahren mindestens 50 und jagen um die Kurven», klagt Reto.

«Ich trage extra keine Kopfhörer, damit ich die Autos so früh wie möglich zumindest höre», führt er aus. «Aber mir rutscht trotzdem jedes Mal das Herz in die Hose.»

Immer wieder endet das Trottoir. Reto S.* muss die Strassenseite ohne Fussgängerstreifen mehrfach wechseln. - Nau.ch

Die Fahrer würden offenbar glauben, die Strasse gut genug zu kennen. Sie würden nicht damit rechnen, dass zu dieser frühen Stunde jemand zu Fuss unterwegs sei. «Eines Tages wird es jemanden erwischen. Ich fürchte mich», sagt Reto zu Nau.ch.

Bauliche Möglichkeiten begrenzt

Tatsächlich gibt es in vielen Gemeinden im Kanton Zürich solche schwierigen Verkehrssituationen. Die Strecke in Pfungen befindet sich im alten Dorfteil.

«Weshalb die örtlichen Gegebenheiten bauliche Möglichkeiten begrenzen und nicht durchgehende Trottoirs vorhanden sind», erklärt die Gemeindeschreiberin Andrea Jakob. Doch die Gemeinde sieht kein Problem darin, da es grösstenteils Ausweichrouten habe.

Reto S. hält das für unsinniges Gerede: «Diese Routen ermöglichen es einem nicht, alle Gefahrenstellen zu umgehen. Und sie verlangen ausserdem riesige Umwege», sagt er. Die Sicherheit der Fussgänger sei seiner Einschätzung nach nicht gewährleistet.

Reckholdern- Ecke Buckstrasse.
Hier beginnt die Route von Reto S. zum Bahnhof Pfungen: Gabelung Reckholdern- und Buckstrasse.
Dorfstrasse Pfungen
Die Gabelung führt auf die laut Reto S. «unübersichtliche» Dorfstrasse.
Dorfstrasse Pfungen
Sie ist recht kurvenreich. Und wird oft von Fahrern geplagt, die sich nicht an die Geschwindigkeitsbegrenzung halten.
Dorfstrasse Pfungen
Dennoch hat es kein einheitliches Trottoir.

Nach Darstellung der Behörden steht er mit seiner Beschwerde eher allein da. «Der Bedarf von einer grösseren Personengruppe nach einer Veränderung der Situation ist nicht bekannt», sagt Jakob.

Als Lösung schlägt sie vor, die Dorfstrasse dort zu überqueren, wo das Trottoir aufhört. Das sei «Schissdräck», sagt Reto S. «Das ist keine Lösung. Das ist nur eine Ausrede.»

Unfälle keine Seltenheit in Pfungen

Über den Verlauf der letzten fünf Jahre kam es in der Gemeinde Pfungen zu 130 Verkehrsunfällen. Dies teilt die Kantonspolizei Zürich auf Anfrage mit. 21 Personen wurden schwer verletzt. In den Jahren 2019 und 2023 ereignete sich je ein Unfall, bei dem ein Fussgänger beteiligt war.

Einer davon auf der von S. beschriebenen Dorfstrasse. Die Person blieb unverletzt. «Aber muss man das Risiko eingehen?», fragt sich Reto S.

Fusswegnetzplanung soll Verkehrsteilnehmer schützen

«Die Grundlage für eine sinnvolle Planung für den Fussverkehr ist eine sogenannte ‹Fusswegnetzplanung›», erklärt dagegen Dominik Bucheli von «Fussverkehr Schweiz». Der Fachverband für Fussgänger setzt sich für die Sicherheit der am stärksten gefährdeten Verkehrsteilnehmer ein.

«Positiv zu erwähnen ist, dass der Kanton Zürich dafür gesorgt hat, dass alle Gemeinden einen Fusswegnetzplan erstellt haben», sagt Bucheli. Und zwar Anfang der 90er-Jahre.

So sagt auch Judith Setz vom kantonalen Amt für Mobilität: «Der Kanton Zürich plant, projektiert und baut seine Strasseninfrastruktur nach bestem Wissen und Gewissen. Sowie mit Rücksicht auf die finanziellen politischen Rahmenbedingungen». Jahr für Jahr investiere er rund 200 Millionen Franken in sichere Strassen – und Trottoirs.

Sind Sie mit der Fussgängersicherheit in der Schweiz zufrieden?

Die Sache hat jedoch laut Bucheli einen Haken: «Der Kanton hat es verschlafen, dafür zu sorgen, dass diese Pläne regelmässig aktualisiert werden», kritisiert er. Alte Pläne hätten die Tendenz, dass sie irgendwann vergessen und dann nie umgesetzt werden. «Zudem sind nicht alle Vorgaben des Kantons Zürich qualitätsfördernd.»

Gemäss Bucheli wüssten die Gemeinden schon, wo es schwierige Verkehrssituationen gebe – aber Bau und Planung seien teuer. Und langsam. «Damit mit einer Sofortlösung schnell gehandelt wird, muss ein Problem schon ziemlich gravierend sein. Oder die Anwohnenden machen Druck.»

* Name von der Redaktion geändert.

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