Der Tod eines knapp zweijährigen Mädchens beschäftigt das Kantonsgericht St. Gallen. Die Eltern, die vor erster Instanz wegen fahrlässiger Tötung zu Freiheitsstrafen von sechs (Mutter) und fünf (Vater) Jahren verurteilt wurden, bestritten am Freitag vor Gericht die Vorwürfe.
kantonsgericht sankt gallen
Foto des Kantonsgerichts in St.Gallen. - Keystone
Ad

Das Wichtigste in Kürze

  • Im August 2015 entdeckte die Polizei im Keller eines Hauses in Staad SG ein totes Mädchen.

Die Eltern des Kleinkindes - eine heute 37-jährige Deutsche und ein 57-jähriger Schweizer - stehen in Verdacht, unter anderem aufgrund ihres Drogenkonsums ihre elterlichen Sorgfaltspflichten verletzt und die gemeinsame Tochter vernachlässigt zu haben.

Konkret wird ihnen vorgeworfen, die Tochter nicht altersgerecht ernährt und ihr keine ausreichende Bewegung ermöglicht zu haben. Ebenfalls sollen sie die medizinische Versorgung, die körperliche Hygiene und die sozialen Kontakte des Mädchens vernachlässigt haben.

Daneben hätten die Eltern gemäss Anklage das Kleinkind mehrmals für mehrere Stunden unbeaufsichtigt alleine zu Hause gelassen. Diese Vernachlässigungen sollen schliesslich zum Tod des Kindes geführt haben.

Die Befragung der Eltern vor Gericht dauerte am Freitag fast fünf Stunden. Zum Drogenkonsum wollten die Beschuldigten, beide wegen Betäubungsmitteldelikten vorbestraft, nichts sagen. Dem Mann wird vorgeworfen, zwischen Oktober 2012 und August 2015 drei Kilogramm Kokain bei einem Dealer gekauft zu haben. Zwei Kilogramm soll er selber konsumiert haben, ein Kilogramm seine Partnerin.

Bei beiden waren Rückstände von Kokain festgestellt worden. Eine Haarprobe ergab, dass die Frau praktisch durchgehend Kokain konsumierte. Auch bei der toten Tochter war Kokain in den Haaren nachgewiesen worden.

Er habe der Partnerin nie Kokain abgegeben, weder während der Schwangerschaft noch während der Stillzeit und auch nachher nicht, sagte der 57-Jährige. «Ich hätte sofort gehandelt und die Kleine zur Schwiegermutter gebracht.»

Das Gericht lass den Beschuldigten immer wieder Abhörprotokolle vor, welche nach dem Tod der Tochter aufgenommen worden waren, bei denen es auch um den Kokainkonsum ging. Die Beschuldigten wollten sich nicht mehr an die belastenden Aussagen erinnern.

«Wir hatten es immer schön», sagte der Mann und streckte dem Gericht Bilder der Tochter entgegen. «Es war ein Traum von mir, Haus und Kind zu haben.» Als Vater sei er nur am Wochenende präsent gewesen.

Das Mädchen soll nach Aussage der älteren Geschwister den ganzen Tag im Bett gelegen haben. «Wir haben unsere Tochter nie alleine gelassen, im ganzen Leben nicht», sagte der Vater, der nicht mehr weiss, wann er sein Kind zum letzten Mal lebendig gesehen hat. «Sie war von heute auf morgen weg.»

«Es sollte das letzte Kind für mich sein», sagte die vierfache Mutter. Sie liebe ihre Kinder abgöttisch. Ihre Tochter habe von Anfang an durchgeschlafen. Sie sei immer und überall mit dabei gewesen. Bis sie ein Jahr alt war, habe sie im Elternzimmer geschlafen. «Wir haben sie jeden Abend gebadet.»

Dass die Grossmutter, eine Krankenschwester, ihre Enkelin nicht mehr sehen durfte, nachdem sie Entwicklungsrückstände angesprochen habe, bestritt die Beschuldigte. «Es gibt kein Arztpflicht.» Sie habe ihre Tochter weder vernachlässigt noch umgebracht.

Sie könne sich nicht mehr an das Todesdatum erinnern. «Es ist ein Trauma. Es ist einfach weg.» Sie schilderte den Morgen, an welchem sie ihr Kind tot gefunden hat. «Sie lag in ihrem Bettchen. Sie war eiskalt.» Sie habe sie in ihre Lieblingsdecke eingekuschelt, sagte die Frau unter Tränen. «Für mich ist sie nicht tot.» Deswegen habe sie niemandem etwas gesagt.

Die Mutter packte das tote Kind in einen Koffer und stellte diesen in den Keller. Die Staatsanwaltschaft vermutet, dass das Mädchen am 3. Juli 2015 - einem heissen Sommertag - gestorben ist. Einen Monat später wurde die Leiche im Keller gefunden. Die Todesursache des Mädchens konnte nicht mehr geklärt werden.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

TodGerichtKokainSchwangerschaftVaterMutter