Top-Manager, Ärzte, Erben: Wer sich jetzt noch ein Haus leisten kann
Das Wichtigste in Kürze
- Fürs Eigenheim muss man immer tiefer in die Tasche greifen.
- Ein Immobilien-Experte rechnet vor, für wen der Traum realistisch ist.
- Sogar für Topverdiener ist es nicht mehr so einfach, an Wohneigentum zu kommen.
Eine steile Aufwärtskurve beschreibt die Entwicklung der Wohneigentumspreise in der Schweiz: Seit Jahren werden Eigentumswohnungen, Einfamilienhäuser und Co. immer teurer.
Erst kürzlich sorgte eine Versteigerung in Zürich-Altstetten für Aufsehen. Ein unscheinbares graues Reihenhüsli ging für satte 2,25 Millionen weg.
Einbringen muss man dafür 450'000 Franken Eigenkapital. Doch: Und um sich die Hypothek leisten zu können, wird ein Jahreseinkommen von 359'000 Franken benötigt.
Summen, die sich Durchschnittsschweizerinnen und -schweizer kaum vorstellen können. Zur Erinnerung: Bei uns beträgt der Medianlohn laut Bundesamt für Statistik (BFS) knapp über 81'000 Franken im Jahr (pro Person). Also weniger als ein Viertel von dem, was man für das Reihenhüsli in Altstetten verdienen müsste. Auch für ein Paar, bei dem beide arbeiten gehen, reicht das nicht.
Da drängt sich die Frage auf: Ist der Traum vom Eigenheim für Normalos heute überhaupt noch realistisch?
Mindestens 168'000 Franken Jahreslohn nötig
Dazu erst einmal die Zahlen. Immobilien-Experte Claudio Saputelli von der UBS erklärt bei Nau.ch: «Mit einem Preis von mindestens einer Million muss man heute für ein Einfamilienhaus schon rechnen.» An begehrten Lagen und insbesondere in den Zentren seien die Objekte weit teurer.
Wer ein solches Haus kaufen will, muss erst einmal 20 Prozent direkt zahlen, also 200'000 Franken Eigenkapital. Bleiben 800'000 Franken Schuld in Form von Hypotheken.
Sieben Prozent davon muss man im Jahr zahlen – der Experte rechnet vor: «Für die Tragbarkeitsrechnung rechnen Banken in der Regel mit einem kalkulatorischen Zinssatz von rund fünf Prozent. Ausserdem kommen je ein Prozent für die Amortisation der Hypothek und Unterhaltskosten hinzu.»
Das kostet jährlich 56'000 Franken oder über 4600 Franken monatlich. «Und das muss man ja tragen können.»
Die Faustregel laut Saputelli: Die Hauskosten dürfen nicht mehr als ein Drittel des Einkommens betragen. 56'000 mal drei – jetzt sind wir bei einem stolzen Lohn von 168'000 Franken.
Nicht einmal angestellte Ärzte verdienen genug
Zahlen der Arbeitgeberbewertungs-Plattform Kununu zeigen: So viel verdienen in der Schweiz im Durchschnitt nicht einmal angestellte Ärztinnen und Ärzte. Sie verdienen im Schnitt 138'500 Franken pro Jahr – und führen damit die Liste der bestbezahlten Arbeitnehmer an.
Auch Softwarearchitektinnen und -architekten auf Platz zwei kommen mit einem Durchschnittsgehalt von 134'7000 Franken nicht an die erforderlichen 168'000 heran. Auf Platz drei und vier sind Programmverantwortliche mit 129'000 Franken Jahresgehalt und Anwältinnen und Anwälte mit 128'300.
Die Zahlen bilden jedoch nur den Verdienst von Angestellten ohne Führungsposition ab. Und im Fall der Ärzte sind die angestellten Fachärzte nicht berücksichtigt – also Ärzte mit Zusatzausbildung auf einem speziellen Gebiet.
Schaut man sich die Löhne von angestellten und frei praktizierenden Fachärzten oder der oberen Kader an, sieht es anders aus.
Träumst du vom Eigenheim?
Laut dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) haben frei praktizierende Fachärztinnen und -ärzte ein Medianeinkommen von 257'000 Franken. Gewisse Fachbereiche schenken jedoch deutlich mehr ein: In der Neurochirurgie beträgt der Medianlohn 697'000 Franken, in der Gastroenterologie (Magen-Darm) 672'000.
Bei den angestellten Fachärzten liegt der Medianlohn bei 197'000. Auch das reicht – immerhin – für ein bescheidenes Eigenheim.
Nicht in allen Branchen reichen Top-Manager-Löhne
Auf der Median-Lohnliste der oberen Kader des BFS wird unterschieden zwischen oberem Kader und Top-Managerinnen und -Managern. Und es zeigt sich: In der Gastro, den persönlichen Dienstleistung oder der Holz- und Papierherstellung reicht nicht einmal ein Job auf höchster Stufe.
Im Detailhandel muss man Top-Manager sein, oberes Kader reicht nicht. Das Gleiche gilt für das Baugewerbe und sonstige wirtschaftliche Dienstleistungen.
Am knappsten erreicht ein Mitglied des oberen Kaders in der Energieversorgung den nötigen Lohn: Er verdient 175'572 Franken.
Auch erschwinglich wäre das Haus für das obere Kader in der Telekommunikations-, Chemie-, Versicherungs- und Finanzbranche und in der Pharmaindustrie.
Im Zentrum? Mit Durchschnittslohn «praktisch keine Chance»
Jetzt die gute Nachricht: «Schaut man sich nur die Medianlöhne an, greift das oftmals zu kurz», gibt Immobilien-Experte Saputelli zu bedenken. «Viele kaufen ein Haus gemeinsam mit dem Partner, können noch erben oder das Erbe vorbeziehen.»
Für Haushalte mit zwei Einkommen oder für diejenigen, deren Eltern etwas angespart haben und abdrücken wollen, sieht es anders aus.
Saputellis Fazit: «In den Zentren hat man mit durchschnittlichem Lohn praktisch keine Chance auf Wohneigentum. Aber geht man etwas weiter, ist es durchaus realistisch.»
Günstigere Angebote gebe es beispielsweise in den ländlichen Gebieten der Kantone Thurgau, Schaffhausen oder Glarus. Aber teilweise auch im Kanton Zürich, etwa im Unterland oder im Weinland.
Ohne Erbe wirds schwierig
Doch günstig genug, dass Durchschnittsverdienerinnen und -verdiener auch ohne Erbe in Aussicht weiterträumen dürfen?
«Dann wird es eher schwierig», gibt Saputelli zu. «Wenn die Aussichten nicht da sind, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder sucht man sich statt einem Einfamilienhaus eine Eigentumswohnung – oder man bleibt bei der Miete.»
Hast du ein Erbe in Aussicht?
Schliesslich sei der Standard bei den Mietwohnungen in der Schweiz zunehmend hoch. «Das ist nicht wie in Italien, wo es ein regelrechtes Kastendenken gibt. Dort sind die Mietwohnungen qualitativ deutlich schlechter als Wohneigentum.»
Bei uns sei das Mietrecht ausgereift und es gebe kein gesellschaftliches Stigma für Mieter. «Selbst viele Reiche entscheiden sich dazu, zu mieten, weil sie die Flexibilität schätzen.»
Natalie Imboden von der Gewerkschaft Unia betont bei Nau.ch: «Da ein Hauskauf kaum realistisch ist, sind die Mieten für die Mehrheit der Beschäftigten umso wichtiger. Nur haben wir hier das Problem, dass die Mieten unvermindert ansteigen.»
Nicht mithalten dagegen können die Löhne. Die Unia fordert deshalb «kräftige Erhöhungen».