Der aktuelle Streit innerhalb der SVP Baselland wiegt schwerer als bisherige Konflikte. Doch wie konnte es so weit kommen? Die Analyse.
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Sarah Regez' Unterstützerinnen und Unterstützer haben sich nie von ihr distanziert. - OnlineReports.ch / Alessandra Paone

Das Wichtigste in Kürze

  • Bei der SVP Baselland herrscht schon seit Monaten ein grosser interner Streit.
  • Die mangelnde Abgrenzung gegenüber Extremen schadet der Partei.
  • Aber auch unzureichende Führungsstärke leistet bei dem Zerwürfnis seinen Beitrag.
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Mit der Absetzung der dreiköpfigen Fraktionsleitung um den Präsidenten Peter Riebli hat der seit Monaten andauernde Streit innerhalb der SVP Baselland die nächste Eskalationsstufe erreicht. Ob es bereits die höchste ist, lässt sich nicht sagen. Die Situation ist derart verfahren, dass weitere Überraschungen nicht ausgeschlossen sind.

Interne Konflikte sind in der Baselbieter SVP kein Novum. Als Dieter Spiess im Frühjahr 2012 als Kantonalpräsident zurücktrat, befand sich die Partei ebenfalls in einem instabilen Zustand. Intrigen und Grabenkämpfe prägten jene Zeit. Im selben Jahr wurde auch der damalige Binninger Gemeinde- und Landrat Urs-Peter Moos aus der Fraktion und der Partei geworfen.

Die aktuellen Ereignisse wiegen aber schwerer. Weil sie aufzeigen, was Grenzüberschreitungen bedeuten können. Was geschieht, wenn Polparteien den politischen Rand aufsaugen und dabei in Kauf nehmen, dass auch problematische Exponentinnen und Exponenten mitkommen.

Doch bevor man mögliche Auswirkungen des Eklats auf andere kantonale Sektionen und die Mutterpartei analysiert, stellt sich die Frage, wie es überhaupt so weit kommen konnte.

Der Misserfolg bei den Regierungsratswahlen ist vor allem auf die Kandidatin zurückzuführen

Dafür gibt es vor allem zwei Erklärungen: die Nichtwahl von Nationalrätin Sandra Sollberger in die Baselbieter Regierung und der plötzliche Aufstieg der umstrittenen Politikerin Sarah Regez. In beiden Fällen hat die Führungsschwäche des Noch-Parteipräsidenten Dominik Straumann eine entscheidende Rolle gespielt.

Bei den kantonalen Gesamterneuerungswahlen im Februar vor einem Jahr ist es der SVP zwar gelungen, wieder stärkste Kraft im Landrat zu werden.

Sie hat es aber verpasst, den Regierungssitz von Thomas Weber zu verteidigen – obwohl der Anspruch der Partei auf eine Vertretung in der Kantonsexekutive unbestritten war.

Dieser Misserfolg ist in erster Linie auf die Wahl der Kandidatin zurückzuführen. Sandra Sollberger ist zwar über die Kantonsgrenze hinaus bekannt. Als Nationalrätin liegt ihr Schwerpunkt aber auf nationalen Themen wie Sicherheit und Migration, bei denen sie die rechtskonservativen Positionen der SVP Schweiz vertritt – das Image der Hardlinerin vermochte sie während des gesamten Wahlkampfs nicht abzulegen.

Für Herausforderungen, die die Region betreffen, hatte die Politikerin aus Liestal indes kaum Lösungen parat. Den direkten Vergleich mit ihren Kontrahenten mied sie, öffentliche Auftritte genauso.

Der schliesslich gewählte EVP-Kandidat Thomi Jourdan war Sollberger sowohl inhaltlich als auch rhetorisch stets überlegen und bot der Wählerschaft der mit der SVP verbündeten FDP und Mitte eine willkommene Alternative.

Die Rechten waren im Aufwind – Straumann gelang es nicht, sich zu behaupten

Nun trägt Sollberger aber nicht allein die Schuld an ihrer Niederlage. Die Parteileitung hätte die Defizite der Nationalrätin früher erkennen und sie im Wahlkampf enger begleiten sollen. Denn je schwächer eine Kandidatin oder ein Kandidat ist, desto stärker und präsenter muss ihr Umfeld sein.

Stattdessen hat man Sollberger ihren Weg gehen lassen – und sie am Ende auch noch dafür kritisiert. Nach verlorener Wahl sagte Präsident Straumann, Sollberger habe jeweils selbst entschieden, in welchem Medium und an welchem Diskussionsanlass sie auftrete. Die Verantwortung liege bei ihr und ihrem Komitee.

Der Rauswurf aus der Regierung hat die SVP im Landrat wieder in die Oppositionsrolle gedrängt. Fraktionsmitglieder, die pointiert auftreten und eher dem rechten Parteiflügel angehören, gewannen die Oberhand. Zu diesen gehört allen voran Peter Riebli.

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Peter Riebli wurde als Fraktionschef der SVP Baselland abgesetzt. - keystone

Er hat als Fraktionschef zusammen mit seinen beiden Vizepräsidenten Andi Trüssel und Caroline Mall den Kurs vorgegeben. Riebli trat als starker Mann auf, als Stratege, der zu wissen glaubte, in welche Richtung die Fraktion und mit ihr auch die Partei zu steuern sei, um wieder Erfolge feiern zu können.

Die Rechten waren im Aufwind. Straumann gelang es nicht, sich zu behaupten. Sein Einfluss als Parteipräsident war kaum spürbar.

Diese Entwicklung dürfte wohl auch ein Grund sein, weshalb eine umstrittene Politikerin wie Sarah Regez derart rasch aufsteigen konnte. Mit der Unterstützung von Riebli und Co., die Gefallen fanden an der unzimperlichen Art der 30-Jährigen und an ihrer kompromisslosen Haltung in Migrations- und Genderfragen, verschaffte sie sich einen Platz auf der Nationalratsliste der SVP. Und landete bei der Wahl noch vor Straumann direkt hinter den beiden Bisherigen Thomas de Courten und Sandra Sollberger.

Fahrlässig war, nicht einzuschreiten, als Regez sich definitiv nach rechts verabschiedete

Regez' Erfolg und Straumanns Misserfolg bestärkten das rechte Lager um Riebli in seinem Kurs. «Die Wählerinnen und Wähler wünschen sich eine starke SVP, die prononciert zu wichtigen Themen wie Migration oder Sicherheit Stellung nimmt», sagte Riebli im vergangenen Herbst zu «OnlineReports». Regez sei «ein politisches Talent», das man unbedingt stärker in die Partei einbinden müsse. Alles andere «wäre fahrlässig».

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In den letzten Monaten erfuhr Sarah Regez (SVP) einen kometenhaften Aufstieg. - keystone

Fahrlässig war aber vor allem, nicht einzuschreiten, als die Sissacherin sich definitiv nach rechts verabschiedete. Spätestens als bekannt wurde, dass Regez Kontakt zur extremistischen Jungen Tat pflegt und an einem Treffen mit dem österreichischen Identitären-Anführer Martin Sellner teilgenommen haben soll, wäre von Riebli als gestandenem und respektiertem Volksvertreter zu erwarten gewesen, dass er sich von ihr und grundsätzlich von radikalem Gedankengut distanziert.

Das hätte ihm persönlich eine Menge Ärger erspart und den Image-Schaden der SVP Baselland zumindest verringert. Nun steht die Partei vor einem riesigen Scherbenhaufen, der sich so leicht nicht beseitigen lässt.

Auch hier trägt Straumann einen Teil der Verantwortung. Statt intern durchzugreifen und für Ruhe zu sorgen, wählte er den medialen Weg, um seine Kritik an Regez und ihren Anhängerinnen und Anhängern zu äussern. Damit setzte er sich dem Vorwurf aus, nicht zum Wohle der Partei, sondern aus verletztem Stolz heraus zu handeln.

Straumann musste in den vergangenen Jahren einige Niederlagen einstecken: Er stellte sich mehrfach als Anwärter für den Regierungsrat zur Verfügung, es kam dann aber jeweils ein anderer Kandidat zum Zug.

2016 flog er aus dem Muttenzer Gemeinderat, und wegen Sollbergers Nichtwahl bei den Regierungsratswahlen vor einem Jahr blieb ihm auch der Einzug in den Nationalrat verwehrt.

Johannes Sutter verkauft sich als neutral, positioniert sich aber im moderaten Lager

Immerhin – wenn auch erst spät – hat Straumann eingesehen, dass er die Partei unter den jetzigen Umständen nicht mehr führen kann. Er verzichtet zugunsten von Johannes Sutter auf eine erneute Kandidatur.

Die Chancen des Arboldswiler Gemeindepräsidenten und Unternehmers auf eine Wahl an der Parteiversammlung vom 25. April sind intakt. Es ist allerdings zu bezweifeln, dass im Fall einer solchen wieder Ruhe in die durchgeschüttelte SVP einkehrt. Sutter selbst verkauft sich zwar als neutraler Kandidat, der sich nicht einem bestimmten Lager zuordnen lassen möchte.

Glauben Sie, dass die Baselbieter SVP lange brauchen wird, um sich von ihrem Zerwürfnis zu erholen?

Doch allein dadurch, dass seine Kandidatur vom eher gemässigten Flügel portiert wird, positioniert er sich klar auf der Seite der Moderaten. Ob das beim Versuch, die Partei wieder zu einen, hilft?

Sollte hingegen die rechtsgerichtete Caroline Mall zur Präsidentin gewählt werden, ist eine Parteispaltung nicht ausgeschlossen.

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Hinweis: Dieser Artikel wurde zuerst im Basler Newsportal «OnlineReports» publiziert.

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