Stadt Bern sperrt Quartier für «temporäre Spielzone» – Beschwerden
Spielen statt Autos auf der Strasse: Das Superblock-Konzept aus Barcelona wird ab Samstag nun auch in Bern getestet. Widerstand ist vorprogrammiert.

Das Wichtigste in Kürze
- Die Stadt Bern testet das sogenannte Superblock-Konzept im Murifeld-Quartier.
- Die temporäre Spielzone sorgt für Beschwerden von Anwohnenden.
- Der Autofahrer-Verein lehnt das Projekt wegen der Strassensperre ab.
- Die Stadt Bern hält dagegen und spricht von einem Bedürfnis der Quartierbevölkerung.
Der Verkehr soll beruhigt werden, die Strasse grüner und menschenfreundlicher. Das ist die Idee hinter einem sogenannten Superblock.
Das aus Barcelona stammende Konzept testet derzeit die Stadt Bern im Murifeld-Quartier, im Osten der Stadt.
Der Gemeinderat sprach im vergangenen Jahr einen Kredit von 295'000 Franken dafür. Das Projekt ist ergebnisoffen.
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Nun nimmt das Projekt einen Testlauf: Ab Samstag kommt es zu einer Strassensperre. Die Stadt stellt dafür extra Gitter auf.
Und das sorgt bei manchen Anwohnenden für Kopfschütteln. Gerade, wenn sie wie Niels K.* auf das Auto angewiesen sind.
«Eine Woche lang muss ich nun einen Umweg fahren», ärgert er sich bei Nau.ch.
Zwischen Gruberstrasse und Moritzweg wird die Jolimontstrasse gesperrt. Autos und Töffs dürfen keine mehr durchfahren – Velos, Ambulanzen sowie die Kehrichtabfuhr aber schon.
Kinder sollen gesperrte Strasse bemalen
Grund: Im Streckenabschnitt soll eine «temporäre Spielzone» eingerichtet werden.
Die Stadt frohlockt in einem Flyer: «Wir bemalen gemeinsam die Jolimontstrasse mit Lehmfarbe, blicken auf den bisherigen Prozess zurück und tauschen uns über Ideen für eine zukünftige Gestaltung als Quartiersplatz aus.»
Die Stadt macht währenddessen Verkehrsmessungen, führt dort Beobachtungen durch und holt Feedback ein.
Bereits im Sommer gab es einen Anlass für den Austausch zum Superblock-Projekt. «Nur ein paar Familien machten mit und malten mit Kreide auf den Boden», erinnert sich K.
Die Stadt Bern widerspricht. «An den bisherigen Veranstaltungen und Aktionen im Murifeld-Quartier haben immer zahlreiche Menschen teilgenommen», sagt Mobilitätsplaner Sebastian Clausen zu Nau.ch.
So hätten etwa an einer digitalen Umfrage über 300 Personen mitgemacht.
Stadt Bern bestätigt «vereinzelte Beschwerden»
Er erklärt: «Im Rahmen einer umfangreichen Partizipation via Spaziergänge, Aktionen im Quartier und einer digitalen Umfrage hat die Quartierbevölkerung das Bedürfnis geäussert, den quartiersfremden Durchgangsverkehr zu unterbinden und mehr Raum für Spiel und Begegnung zu schaffen.»
Clausen betätigt aber: «Es sind vereinzelt Beschwerden bei uns eingegangen. Das Feedback und die Bedenken der Autofahrenden werden in die Evaluation des Verkehrsversuches mit aufgenommen.»
Superblock-Projekt benachteiligt Autofahrer
Keine Freude am Versuch hat Simone Gianini, Zentralpräsident des Automobil Clubs der Schweiz (ACS) und Tessiner Nationalrat der FDP. «Eine Woche Testphase genügt nicht, um die Nachteile für Autofahrende sichtbar zu machen», sagt er zu Nau.ch.

Eine Woche lang könne man sich noch umorientieren – zum Beispiel das Auto an einem anderen Parkplatz anstellen. «Würde ein solcher Superblock in bestehenden Quartieren länger getestet oder sogar unbefristet errichtet, würde das nicht mehr gehen.»
Der Automobil Club stellt sich nämlich dagegen, dass Autos aus Quartieren verbannt werden. «Der Superblock steht exemplarisch für das Bestreben, Autos aus den Städten zu verdrängen. Das geht gegen die Bewegungsfreiheit und die freie Wahl der Verkehrsmittel, für die wir einstehen», so Gianini.
Mehr Ausweichverkehr durch Strassensperre
Autofahren sei nicht nur ein Vergnügen, viele seien auch auf das Auto angewiesen. «Zudem bewirkt eine solche Sperre paradoxerweise das Gegenteil: Es entsteht mehr Ausweichverkehr, wodurch andere Zonen mehr belastet werden.»
Zwar lehnt der Automobil Club den Superblock in seiner Grundform ab, doch gegenüber Kompromisslösungen zeigt er sich offener.
«Wie gesagt, der Konflikt entsteht vor allem dann, wenn der Superblock einem bestehenden Quartier übergestülpt wird. Würde man stattdessen ein neues Quartier von Grund auf nach diesem Konzept gestalten, wäre die Situation eine andere. Dann könnten Menschen mit einem Auto frei entscheiden, ob sie dort leben möchten.»
Entscheidend bleibe jedoch, dass auch ein solches Projekt keine Nachteile für andere Quartiere mit sich bringt.
Neben Bern gab es auch in Basel bereits zwei Versuche im Matthäusquartier. In Zürich werden ebenfalls entsprechende Ansätze mit Vorbild Barcelona geprüft.
* Name der Redaktion bekannt.














