SRF verlagert Klatsch und Tratsch jetzt ins Netz
SRF präsentiert auf seinem Newsportal weiterhin Glanz und Gloria. Das kommt bei den Initianten der Halbierungsinitiative nicht gut an.

Das Wichtigste in Kürze
- SRF veröffentlicht auf seinem Newsportal Artikel zu Klatsch und Tratsch.
- Das sorgt für Kritik und stellt den Service-Public-Aspekt infrage.
- SRF sagt, dass der Sender grundsätzlich keine Themen ausschliesse.
«G&G» ist Geschichte – doch der Klatsch und Tratsch lebt online weiter.
Auf SRF.ch tummeln sich Promis wie Katy Perry (41), die Händchen haltend mit Kanadas Ex-Premier Justin Trudeau (53) gesichtet wurde. Oder Sängerin Lily Allen (40), die mit einem Halloween-Kostüm gegen ihren Ex stichelt.
Auch ohne fixen TV-Sendeplatz hält SRF an der People-Berichterstattung fest. Und das zum Teil mit Inhalten, die sonst eher auf privaten Online-Medien zu finden sind.
Katy Perry schmust mit Ex-Premier – und SRF berichtet darüber
Vor allem Katy Perry scheint es der Redaktion am Leutschenbach angetan zu haben: Gleich zweimal berichtet SRF über ihre Turteleien mit Trudeau und zeigt dabei intime Paparazzi-Aufnahmen. Und das ohne Bezug zu einer Radio- oder Fernsehsendung.
Lily Allen kommt immerhin am Rande zu ihrem journalistischen Recht: Ihr Halloween-Auftritt wird im Zusammenhang mit ihrem neuen Album auf Radio SRF 3 erwähnt.
Auch hier setzt SRF Prioritäten – und platziert die Story prominent auf der Startseite: nämlich an die erste Stelle.
Das sorgt für Kritik, insbesondere bei den Jungfreisinnigen. Die FDP-Jungpartei fordert, dass sich SRF aus der Berichterstattung über Unterhaltung zurückzieht und sich auf News und Politik fokussiert. Die Unterhaltung soll aus dem Verfassungsauftrag für die SRG gestrichen werden.
Parteipräsident Jonas Lüthy sagt zu Nau.ch: «Die Themenwahl der SRF-Redaktion gibt immer wieder Anlass zu Verwunderung, auch bei mir. In einer Zeit, in der es gewiss nicht an bedeutsamen gesellschaftlichen und politischen Fragen fehlt, mutet es eigentümlich an, wenn stattdessen über Liebschaften aus Übersee berichtet wird.»

Und er doppelt nach: «Dass hierfür offenbar Kapazitäten vorhanden sind, zeigt, wie weit sich die SRG vom eigentlichen Charakter eines Service-Public-Dienstleisters entfernt hat.»
Als notwendiges Korrektiv sieht Lüthy daher die SRG-Initiative «200 Franken sind genug» – auch Halbierungsinitiative genannt – über die im März abgestimmt wird. Lüthy ist Mitglied des Initiativpräsidiums.
Die Gegnerinnen und Gegner der Halbierungsinitiative warnen vor einer massiven Schwächung des Service Public: Insbesondere in kleinen Sprachregionen sei der Zugang zu unabhängiger Information dadurch gefährdet.
Und sie argumentieren: Eine Annahme der Initiative würde zu Stellenabbau, weniger Vielfalt und einer stärkeren wirtschaftlichen und politischen Abhängigkeit der Berichterstattung führen.
Lüthy ist hingegen überzeugt: Mit der Reduzierung der Serafe-Gebühren soll sich der Service Public «wieder auf das Wesentliche» besinnen.
SRF soll Unterhaltung den Privaten überlassen
Gebührengelder sollen nur dort eingesetzt werden, «wo sie einen demokratischen und kulturellen Mehrwert für die Schweiz schaffen».
Laut Lüthy bedeutet das für unabhängige Information, kulturelle Inhalte und die Förderung der Viersprachigkeit.
Auch Schweizer Sport soll einbezogen sein, sofern ein Marktversagen besteht. Also, wenn ohne Gebühren kein privater Anbieter diese Inhalte übertragen würde.
Der Präsident der Jungfreisinnigen meint: «Ausländischer Klatsch und Tratsch vermag diese Kriterien selten zu erfüllen.» Und die junge Zielgruppe, auf die damit gezielt werde, wolle solche Inhalte nicht mit Gebührengeldern finanzieren, ist er überzeugt.
People-Inhalte würde auf SRF «niemand vermissen»
Auch Medienjournalist Nick Lüthi vom Branchenmagazin «Persönlich» sagt zu Nau.ch: «Die erwähnten Meldungen auf SRF.ch zählen sicher nicht zum Kern des Service-Public-Angebots.»
Er ergänzt: «Ich halte sie für nice-to-have. Niemand würde sie vermissen, wenn sie nicht veröffentlicht worden wären.»

Allerdings hätten die Artikel durchaus eine gewisse Relevanz – «immerhin geht es um einen ehemaligen Premierminister».
«Ausserdem handelt es sich um typische Themen aus der Welt der Stars und Sternchen, wie sie G&G auch abgedeckt hatte», so Lüthi.
«Insofern ist es gut möglich, dass Leute, die die abgesetzte Sendung schauten, nun auch solche Meldungen schätzen.»
Die People-Inhalte sollten aber nicht überschätzt werden. Lüthi betont nämlich: «Gemessen am Gesamtangebot machen solche Soft News einen verschwindend kleinen Teil aus.»
Er glaubt daher nicht, «dass die Problematisierung solcher Textlein eine entscheidende Rolle spielt im Abstimmungskampf um die Halbierungsinitiative».
SRF will keine Themen ausschliessen
Auf die Frage, inwiefern Klatsch und Tratsch wie der Katy-Perry-Artikel die Service-Public-Kriterien erfüllen, antwortet SRF-Sprecherin Nathalie Blasi: «SRF schliesst grundsätzlich keine Themen von der Berichterstattung aus. Entscheidend sind die Art und Weise der Berichterstattung und die Wahl der geeigneten Zugänge zu einem Thema.»
Die Gewichtung und Themenwahl seien ein «zentraler Mehrwert» der Berichterstattung und unterschieden sich je nach Ausspielkanal.
Sie hält fest: «Wir wählen unsere Themen – ob politische, wirtschaftliche oder kulturelle – unter anderem nach den Gesichtspunkten Relevanz, Publikumsinteresse und bildlicher Attraktivität aus.»
Neue Fachgruppe für People-Inhalte zuständig
Verantwortlich für die Inhalte ist nach dem G&G-Aus eine neue Fachgruppe. Diese produziert Beiträge aus dem Bereich Gesellschaft und People für die Nachrichtensendungen und digitalen Kanäle.
Dass SRF mit solchen Berichten ehemalige G&G-Zuschauende abholen will, verneint Blasi: «Wir hatten schon immer People-Inhalte in der SRF-News-App – das hat also keinen Zusammenhang.»
Mit der Einstellung des Gesellschaftsmagazins «Gesichter & Geschichten» – kurz «G&G» – will SRF jährlich gut zwei Millionen Franken einsparen. Rund 20 Vollzeitstellen hat der Sender im Zusammenhang mit der Absetzung gestrichen.



















