Showdown Fall Céline: Strafrechtler fordert Tatbestand Cyber-Mobbing
Showdown im Fall Céline: Der Peiniger muss einen viertägigen Arbeitseinsatz leisten. Strafrechtsprofessor Jonas Weber will einen Straftatbestand Cyber-Mobbing.

Das Wichtigste in Kürze
- Céline Pfister (†13) nahm sich im letzten Sommer wegen Cyber-Mobbing das Leben.
- Ihr Peiniger (heute 17) wurde gestern zu einem viertägigen Arbeitseinsatz verurteilt.
- Strafrechtsprofessor Jonas Weber will einen Straftatbestand «Cyber-Mobbing».
Céline Pfister (†13) aus Spreitenbach AG wurde vor zweieinhalb Jahren in den Tod gemobbt. Gestern kam es zum Showdown vor dem Jugendstrafgericht in Dietikon ZH.
Die Eltern von Céline haben Einspruch gegen den Strafbefehl erhoben. Es kam zu einer Verhandlung gegen den Peiniger (17) ihres Kindes.

Der Jugendliche war bei der Tat 14 Jahre alt. Er hatte Céline in einem Whatsapp-Chat unverfroren aufgefordert, ihm erotische Fotos zu schicken. Sonst werde er früher erhaltene Bilder weiterleiten.
Aus Angst davor schickte im Céline Pfister intime Bilder via Snapchat. Der Jugendliche leitete diese an seine Ex-Freundin weiter, die diese in den sozialen Medien öffentlich machte. Der Jugendliche schickte Céline Pfister zudem 20 Bilder seines erigierten Penis.
Showdown: Vier Tage Arbeitseinsatz
Der Jugendliche wurde gestern wegen Nötigung und mehrfacher Pornografie zu einem Arbeitseinsatz von sieben Tagen verurteilt. Davon muss er vier Tage leisten.
Die restlichen drei Tage werden nur fällig, falls er sich innerhalb eines halben Jahres etwas Neues zuschulden kommen lässt. Dazu ordnete das Gericht eine «persönliche Betreuung» durch eine Sozialarbeiterin an.
Jugendliche würden besser verstehen
Célines Eltern sind enttäuscht. Sie forderten zumindest eine Verurteilung wegen sexueller Nötigung und wünschen sich einen neuen Straftatbestand zu Cyber-Mobbing.

Auch Jonas Weber, Strafrechtsprofessor an der Universität Bern, ist für einen neuen Straftatbestand Cyber-Mobbing. «Ich fände das richtig. Die Jugendlichen würden dann besser verstehen, dass das strafbar ist.»
Aus rechtlicher Sicht sei das zwar nicht nötig. Denn Cyber-Mobbing sei bereits abgedeckt durch die klassischen Straftatbestände wie Drohung, Beschimpfung oder Nötigung.
«Das kann man Jugendlichen aber schwer kommunizieren», sagt Weber zu Nau.ch. «Ein Straftatbestand Cyber-Mobbing kann aber präventive Wirkung haben.»
Das sei wichtig. Die Jugendlichen könnten so besser verstehen, wo die Grenze liege. «Man könnte es den Kindern besser erklären.» Weber ist SP-Mitglied Basel-Stadt.
Rückfallquote kleiner als in Deutschland
Die teilbedingte Strafe, die das Jugendgericht Dietikon gestern gegen Célines Peiniger verhängte, findet Weber aber richtig. Weshalb? «Der Jugendliche war zur Tatzeit noch sehr jung.»

Bei Jugendlichen, die zur Tatzeit unter 15 Jahre alt waren, sind gemäss Schweizer Jugendstrafrecht höchstens zehn Tage Arbeitseinsatz möglich. Der Gratiseinsatz erfolgt in sozialen Einrichtungen oder in Betrieben im öffentlichen Interesse.
Bei älteren Jugendlichen kann der Arbeitseinsatz bis zu drei Monate dauern. Zusätzlich kann der Jugendliche verpflichtet werden, sich an einem bestimmten Ort aufzuhalten.
Persönliche Betreuung
Bei der persönlichen Betreuung werden die Eltern des verurteilten Jugendlichen in der Erziehung unterstützt. Der Jugendliche wird persönlich betreut.
Im Fall des Peinigers von Céline durch eine Sozialarbeiterin. Sie kann Befugnisse bezüglich Erziehung, Behandlung und Ausbildung erhalten. Die elterliche Sorge wird entsprechend beschränkt.

Die Ex-Freundin des Jugendlichen war in einem getrennten Verfahren zu einem zehntägigen Arbeitseinsatz verurteilt worden. Diesen durfte sie im Büro der Jugendanwaltschaft in Dietikon leisten.
Arbeitseinsätze sinnvoll
Strafrechtsprofessor Weber findet solche Arbeitseinsätze sinnvoll. «Die Erfahrung zeigt, dass sich Jugendliche lang an die persönliche Leistung erinnern», sagt Weber. «Die Rückfallquote jugendlicher Täter ist in der Schweiz tiefer als etwa in Deutschland, wo jugendliche Täter eher eingesperrt werden.»

Weil er zum Zeitpunkt der Tat erst 14 Jahre alt war, sind gemäss Schweizer Jugendstrafgesetz gar keine härteren Massnahmen möglich. Mit mehrmonatigen Arbeitseinsätzen oder Busse werden Jugendliche erst ab einem Alter von 15 Jahren bestraft.
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