Schweiz will Praxis bei Eingriffen an intersexuellen Kindern regeln
Die Schweiz will Eingriffe an intersexuellen Kindern neu regeln: Die SAMW entwickelt Richtlinien unter Einbezug von Betroffenen.

Die Schweiz will die Praxis bei Eingriffen an intersexuellen Kindern neu regeln. Die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) hat eine interdisziplinäre Subkommission eingesetzt, die neue medizin-ethische Richtlinien zum Umgang mit sogenannten Varianten der Geschlechtsentwicklung erarbeitet.
In der Kommission seien neben Fachpersonen auch Betroffene vertreten, teilte die SAMW am Freitag mit.
Von Varianten der Geschlechtsentwicklung wird gesprochen, wenn Personen sich aufgrund ihrer körperlichen Merkmale nicht eindeutig den Kategorien «männlich» und «weiblich» zuordnen lassen.
Erfahrungen von Leid und Trauma
Obwohl vergleichsweise wenige Kinder mit unmittelbar erkennbaren Varianten der Geschlechtsentwicklung auf die Welt kämen, sei es unabdingbar, schweizweit einen breiten Konsens für die Orientierung in der Praxis zu schaffen, so die SAMW.
In der Vergangenheit wurden betroffene Kinder oft umfangreichen Hormonbehandlungen und chirurgischen Eingriffen unterzogen – mit dem Ziel, ihr Geschlecht eindeutig zuzuordnen. Seit einiger Zeit bekommen die Stimmen der Personen, die solche Interventionen erlebten, vermehrt Gehör. Dabei wird laut der SAMW deutlich, dass ihre Erfahrungen oft von Leid geprägt waren und nicht selten traumatischen Charakter hatten und haben.
Verantwortung in der Medizin
Besondere medizin-ethische Brisanz berge die Tatsache, dass es sich bei den möglichen medizinischen Massnahmen um chirurgische, teilweise sogar irreversible, Eingriffe handele und das Kind nicht selbst dem Eingriff zustimmen könne. «Es ist zu klären, ob über solche Eingriffe, sofern sie nicht überlebensnotwendig sind, ohne die Einwilligung des Kindes entschieden werden kann und wie die Perspektive der Eltern einzubinden ist», so die SAMW.
Die medizinische Landschaft in der Schweiz habe sich in den vergangenen Jahrzehnten gewandelt. Eingriffe zur Geschlechtszuweisung würden heute nicht mehr standardmässig vorgenommen, aber in bestimmten Fällen immer noch durchgeführt. Für Ärztinnen und Ärzte wie auch für Eltern stelle sich deshalb die Frage, welche Massnahmen aus medizin-ethischer Sicht verantwortbar seien.